Für seine Aprilsession hat sich der Grosse Rat des Kantons Bern eine ausgedehnte Wirtschaftsdebatte vorgenommen, nachdem der Schwarze Schwan nun auch von der Fraktion SP-JUSO dort zum Thema gemacht worden ist. Zur Abwechslung ist hier nicht die importierte Tierwelt auf dem Thuner- und Wohlensee angesprochen, sondern die importierte Rezession, die innert weniger Monate über die Schweiz hereingebrochen ist. Der Schwarze Schwan als sehr unwahrscheinliches und daher unerwartetes Ereignis im Sinne von Nassim Taleb, des viel zitierten Hauptdissidenten der Wall Street, hat damit auch das Berner Rathaus thematisch erreicht.
Es hat gewissermassen Tradition, dass in Zeiten kriselnder Konjunktur jeweils die Umsetzung grosser Teile des SP-Programms quasi auf dem Dringlichkeitsweg empfohlen wird. Auf Bundesebene überbieten sich die Linke und die Grünen mit Forderungen nach Impulsprogrammen im Umfang von 6 bzw. sogar 12 Milliarden Franken, nach Sondermassnahmen also, die weit über die 1.5 Milliarden hinausgehen, die der Bundesrat zur Ankurbelung der Konjunktur bereitstellen will. Das Motto heisst: „Ausserordentliche Situationen erfordern ausserordentliche Massnahmen.“
Vergessen gehen bei allem Drang zu Aktivismus leider die Lehren aus früheren Zeiten, zuletzt den neunziger Jahren. Demnach gelingt es der Politik praktisch nie, mit staatlichen Stimulierungsprogrammen die erhofften Wirkungen zu erzielen, zumindest nicht rechtzeitig. Ich glaube nicht an die Rolle des Staates als besserer Wirtschafter. Wie viele Bernische Grossräte haben Nassim Taleb gelesen? Fast immer haben die staatlichen Interventionspakete in einer massiven Neuverschuldung der öffentlichen Finanzhaushalte geendet. Es waren somit die nachfolgenden Generationen von Steuerzahlern und Konsumenten, welche die Rechnung für die Konjunkturstützungs-Experimente zu bezahlen hatten – und das dürfte auch diesmal nicht anders sein. Diese Sorge gilt auch unseren wichtigsten Handelspartnern, und zwar mit Blick auf die 44 Prozent unseres Bruttoinlandprodukts, die unsere Volkswirtschaft im Ausland verdient. Auch dort werden Konjunkturpakete von Dimensionen geschnürt, welche die jeweiligen Staatsfinanzen längerfristig in Schieflage zu bringen drohen, sofern sie es nicht schon sind.
Arg von der Krise gebeutelt steht neben den Grossbanken zurzeit vor allem die Exportwirtschaft da. Staatliche Interventionen müssten ihre Wirkung möglichst dort entfalten und nicht unbedingt in der Baubranche, die bislang von Umsatzeinbrüchen noch weitgehend verschont geblieben ist. Man darf im Übrigen von der Berner Regierung kaum erwarten, dass sie Strukturschwächen jetzt so nebenbei in der Krise beseitigt, die sie bislang auch in den Zeiten der Hochkonjunktur nicht zu verbessern wusste.
In der weltweiten Finanzmarktkrise sind Vermögenswerte in unvorstellbarem Ausmass vernichtet worden. Die Zentralbanken pumpen zwar zur Kompensation im grossen Stil Liquidität in die Wirtschaft. Aber weil der Spielraum nach unten beim nominellen Zinssatz praktisch ausgeschöpft ist, droht eine negative Inflation und damit hohe Realzinsen, also eine Deflation. Die Anleger fahren aus ihrer Sicht besser, indem sie ihr Geld in Form von Banknoten halten. Wer sich selbst einmal gerne in die Situation einer fiktiven Zentralbank versetzen und die Geldpolitik einer einfachen virtuellen Volkswirtschaft simulieren möchte, sei auf das Computerspiel MoPoS (kurz für: Monetary Policy Simulation Game) verwiesen, das man von der Website der Schweizerischen Nationalbank herunterladen kann.
Die Situation, in der zusätzliche Liquidität, welche die Zentralbank in die Wirtschaft pumpt, gehortet wird und keinen Impuls zur Wiederankurbelung der Wirtschaft zu liefern vermag, heisst Liquiditätsfalle. Die Anleitung zum Simulationsspiel MoPoS sagt: „Sobald die Modellwirtschaft tief genug in der Liquiditätsfalle sitzt und kein Schock gross genug ist, sie daraus zu befreien, gibt es daher auch keinen Ausweg. Es bleibt Ihnen nur, die Simulation abzubrechen und ein neues Spiel zu beginnen.“
Unter den vereinfachten Bedingungen der Simulation heisst es also heute: „Game over.“ Übertragen auf die Realwirtschaft sei das eine Warnung vor exzessivem „deficit spending“, also vor zusätzlicher Staatsverschuldung, um durch staatlich vergebene Aufträge verstärkte Nachfrage zu generieren. Was davon zu bleiben droht, auch in hoffnungsvolleren Zeiten von späteren Haushaltüberschüssen, ist die zusätzliche öffentliche Verschuldung.
Damit die Geldpolitik der Zentralbanken wirken kann, braucht es ein funktionierendes Finanzsystem. Genau daran krankt es derzeit aber weltweit. Deshalb glaube ich nicht an eine rasche konjunkturelle Erholung und verspreche mir auch nicht allzu viel vom laufenden G-20-Gipfel. Der dritte Präsident der Vereinigten Staaten, Thomas Jefferson, hat 1802 in einem Brief an den damaligen Secretary of the Treasury Albert Gallatin geschrieben: „I believe that banking institutions are more dangerous to our liberties than standing armies. If the American people ever allow private banks to control the issue of their currency, first by inflation, then by deflation, the banks and corporations that will grow up around [the banks] will deprive the people of all property until their children wake up homeless on the continent their fathers conquered. The issuing power should be taken from the banks and restored to the people, to whom it properly belongs.”
Ich glaube, dass eine tiefgreifende Reform unseres Geld- und Währungssystems Not tut, um die gegenwärtige weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise zu überwinden. Zweckoptimismus ist hier fehl am Platz. Das zurzeit allenthalben fehlende Vertrauen lässt sich nicht herbeireden.
Insofern hoffe ich, dass unser Kantonsparlament im Rahmen seiner Wirtschaftsdebatte nicht in Aktivismus verfällt, sondern sich auf die so genannten automatischen Stabilisatoren besinnt: Die Möglichkeit der Kurzarbeit und der Ausdehnung der Arbeitslosenentschädigung für eine relativ lange Zeit.
Wir ringen derzeit mit einem globalen Phänomen. Die Antworten auf solche Fragen werden nicht auf Kantonsebene gegeben.
Montag, 6. April 2009
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