Mittwoch, 24. Februar 2010

Passivmitglied in der EU

Nationalrat Adrian Amstutz betreibt mit seiner Kolumne im Thuner Tagblatt Markenpflege, und das sei ihm durchaus unbenommen. Bloss hält es die Leserschaft nicht immer mit Witwe Bolte bei Wilhelm Busch: “… wofür sie besonders schwärmt, wenn er wieder aufgewärmt.“

In diesem Fall hätte ich aus der spitzen Feder des Nationalrats gerne etwas mehr, neuen und treffenderen Klartext zum provokativen Titelthema EU-Beitritt gelesen. Man muss kein flammender Europa -Befürworter sein um festzustellen, dass es mit unserer Autonomie im so genannt autonomen Nachvollzug von EU-Regelungen in jüngerer Zeit nicht sehr weit her war. Das Stichwort Bankkundengeheimnis liefert der Autor ja gleich selber.

Faktisch sind wir heute Passivmitglied der Europäischen Union und zahlen fleissig unseren Mitgliederbeitrag. Bloss fehlt uns das Stimmrecht in den EU-Institutionen. Unsere Freihandelsgemeinschaft EFTA ist ein Auslaufmodell. Das richtige Stichwort wäre hier deshalb Island – nicht Griechenland, wie der Kolumnist anführt.

Unter diesem Titel ist es mit Spott allein nicht getan, mit dem NR Amstutz die mehrheitlich rot-grüne Regierung des Kantons Bern überzieht. Nicht dass ich mich für sie stark machen wollte – etliche der aufgeführten Kritikpunkte teile ich durchaus.

Sonntag, 14. Februar 2010

Griechische Tragödie in helvetischer Aufführung

Griechenland droht der Staatsbankrott. Eine dramatische Schuldenkrise macht das Land praktisch zum Paria-Staat innerhalb der EU. Die sozialistische Regierung Papandreou kündigt ein längst überfälliges rigoroses Sparprogramm an, das laut letzten Umfragen weit über 60 Prozent der Bürgerinnen und Bürger als notwendig erachten und mitzutragen bereit sind.

Ungeachtet aller Realitäten machen die griechischen Linksparteien und Gewerkschaften mobil gegen die Rettungsmassnahmen der Regierung, zu denen auch eine Anhebung des durchschnittlichen Rentenalters um 2 Jahre auf 63 Jahre zählt, um den Zusammenbruch des maroden Sozialversicherungssystems abzuwenden.

Hiesige Medienberichte zitieren griechische Gewerkschaftsführer mit Aussagen wie diesen: „Das ist ein Krieg gegen die Arbeiter. Wir werden mit Krieg antworten.“ „Die Einkommen der Arbeiter dürfen nicht schon wieder auf dem Altar der Plutokratie geopfert werden.“ „Wir streiken, um unsere Würde zu verteidigen.“

Ein von der mächtigen Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes ausgerufener landesweiter Streik im öffentlichen Dienst hat am Mittwoch den Flugverkehr lahmgelegt. Schulen, Finanzämter und Universitäten blieben geschlossen. In öffentlichen Krankenhäusern gab es offenbar nur einen Notdienst. Für den 24. Februar hat der nationale Gewerkschaftsbund einen Generalstreik ausgerufen.

In der schweizerischen Inszenierung dieses Trauerspiels heissen die Parolen unserer Gewerkschaften: „Nein zum Rentenklau. Für viele Arbeitnehmende wäre im Alter ein Leben in Würde gefährdet.“ „Die zweite Säule wird zu einem Selbstbedienungsladen für die Versicherungsgesellschaften.“ „Die Lüge vom 600 Millionen-Rentenloch – dieses existiert nicht.“

Ausschlaggebend für die vom Parlament verabschiedete Revision des Bundesgesetzes über die berufliche Vorsorge (BVG) ist einerseits die kontinuierliche Zunahme der Lebenserwartung unserer Rentnerinnen und Rentner und andererseits die zurzeit ungenügende Rendite auf risikoarmen Anlagen, mit welcher die Pensionskassen den bisherigen Mindestumwandlungssatz auf dem Alterskapital nicht finanzieren können.

Die politische Linke und die Gewerkschaften markieren mit Bildern von Taschendiebstahl empört den Rentenklau und mobilisieren mit Blick auf die Volksabstimmung vom 7. März 2010 Widerstand mit einem Appell an den Egoismus der Stimmberechtigten. Ganz bewusst sprechen sie von drohenden Rentenkürzungen, statt einer Reduktion des Rentenumwandlungssatzes. Dass beispielsweise 1991 bei einer Jahresteuerung von fast 6 Prozent und einem problemlos realisierbaren Bruttoertrag von 5 Prozent das jeweilige Alterskapital real um 1 Prozent dahin schmolz, wird tunlichsts ausgeblendet. Dafür beharrt die Linke heute bei völlig ausbleibender Teuerung auf einer unrealistischen Rendite von 5 Prozent.

Das Referendum gegen die vorliegende BVG-Revision ist sachlich unbegründet. Der Abstimmungskampf der SP und Gewerkschaften nährt sich vom Zorn vieler Stimmberechtigter, und bedient sich seiner, über das Geschäftsgebaren der Grossbanken und einzelner Versicherungskonzerne, über eigene erlittene Verluste auf Vermögensanlagen der 3. Säule und Lohnexzesse in den Führungsetagen einst angesehener Unternehmen. Der populistische Abstimmungskampf dient der Linken zur Profilierung, ebenso wie die SVP die Abzocker-Initiative von Thomas Minder an sich reisst, um damit bei der Wählerschaft zu punkten.

Die von Bevölkerungsstatistik und Versicherungsmathematik technisch geprägten Argumentarien pro und kontra und der emotionalisierte Abstimmungskampf sind ein Streit um des Kaisers Bart. Wer kann die Entwicklung der Lebenserwartung oder der Finanzmärkte auf 40 Jahre hinaus vorhersagen? Die Kontroverse ist eine Folge der Überregulierung und Verpolitisierung der beruflichen Vorsorge, die ihren Anfang 1985 mit der Einführung des Obligatoriums genommen hat.

In diesem Sinn bedeutete die drohende Ablehnung der Vorlage an der Urne nicht den Zusammenbruch unseres Sozialversicherungssystems. Allerdings ist diesfalls zu erwarten, dass die Alternativen – Anhebung des Rentenalters, Anhebung der BVG-Beiträge – dieselben Akteure kurz über lang zu einer neuen Inszenierung desselben Schauspiels in diesem Theater aufbieten werden.

Der Leuchtturm der SVP

Ein schlauer Fuchs sei er, mit untrüglichem politischem Instinkt ausgestattet, der Chefstratege und Übervater der Schweizerischen Volkspartei. Christoph Blocher fasziniert zurzeit die Medien mit seinem handstreichartigen Schulterschluss mit Anti-Abzocker-Initiant Thomas Minder. Der Coup ist gelandet, und Blocher macht entsprechend Schlagzeilen als neue Speerspitze im Kampf gegen Lohnexzesse in den Chefetagen der schweizerischen Unternehmen.

Schliesslich wird er wissen, wovon er redet. Wie die NZZ am Sonntag heute berichtet kassierten Christoph Blocher, Martin Ebner und Peter Sjöstrand von 1992 bis 1998 zusammen 67 Mio. Franken an persönlichen Honoraren als Verwaltungsräte der Beteiligungsgesellschaft Pharma Vision. Allein im Jahr 1997 bezog Blocher allein aus seinem Mandat als VR-Präsident der Pharma Vision ein Honorar von 6,8 Mio. Franken.

Grosse Männer werfen halt lange Schatten – Leuchttürme allemal.

Donnerstag, 4. Februar 2010

Geldreform, die ich meine

Als gesetzliche Zahlungsmittel gelten in der Schweiz:

  • die vom Bund ausgegebenen Münzen;
  • die von der Schweizerischen Nationalbank ausgegebenen Banknoten;
  • auf Franken lautende Sichtguthaben bei der Schweizerischen Nationalbank.

Abschliessend festgeschrieben ist es so im Artikel 2 des Bundesgesetzes über die Währung und die Zahlungsmittel (WZG).

Überraschenderweise nicht zu den gesetzlichen Zahlungsmitteln zählt das heutige Zahlungsmittel Nummer 1: Sichtguthaben (besser bekannt als Giro- oder Kontokorrentguthaben) bei den Geschäftsbanken oder Postfinance. Was, wenn nicht Geld im Sinne des Gesetzes, sind denn diese Guthaben?

Sie sind ein Geldersatz, ein Surrogat. Bilanztechnisch sind sie ein Bargeldkredit der Kunden an die Bank. Konsequenterweise erscheinen sie auch in der Bilanz der Bank, und die Bank behandelt sie als „ihr Geld“, das ihr der Kunde als Darlehen zur Verfügung gestellt hat. Die Illusion des Kunden, der immer noch „sein Geld“ auf dem Kontokorrent wähnt, entpuppt sich im Falle eines Bankencrashs brutal: „Das Geld“ ist weg – die Spar- und Leihkasse Thun lässt grüssen.

Störend an diesem Sachverhalt ist, dass

  • das wichtigste Zahlungsmittel des Landes heute ungesetzlich ist;
  • der Staat Bürger und Unternehmen in seinem eigenen Girozahlungsverkehr anhält, ungesetzliches Bankengeld anstelle seines eigenen Geldes zu verwenden;
  • die Bankbilanzen durch die Sichtguthaben der Kunden über Mass aufgebläht werden;
  • der Staat angerufen wird, die Kontokorrentguthaben der Kunden bei den Geschäftsbanken mindestens in begrenztem, aber zunehmendem Umfang abzusichern gegen die Geschäftsrisiken dieser privaten Institute;
  • die Banken dieses Geldsurrogat nach eigenem Belieben und mit unglaublichem Gewinn herstellen können, ohne dass die Schweizerische Nationalbank noch bestimmenden Einfluss darauf hätte.

Von all diesen Störfaktoren stellt die lukrative Geldherstellung oder -schöpfung durch die Privatbanken den grössten Reformbedarf dar. Wie diese virtuelle Notenpresse funktioniert, haben M. Sophie Faber und Eveline Ruoss von der Schweizerischen Nationalbank in einer Lehrerinformationsschrift im Jahr 2000 anhand des folgenden Beispiels in den Grundzügen aufgezeigt.

Gehen wir zunächst von einer Welt ohne Geschäftsbanken aus, in der die von der Nationalbank ausgegebenen Noten das einzige Zahlungsmittel bilden. Die Geldmenge ist dann gleich der Summe der umlaufenden Noten und beträgt zum Beispiel 1000 Franken. Nun wird Bank A gegründet, worauf das Publikum sämtliche Noten bei dieser Bank deponiert und dafür einen Zinsertrag erhält. Die Geldmenge beträgt immer noch 1000 Franken. Sie besteht aber nicht mehr aus Banknoten, sondern aus Sichteinlagen bei Bank A.

Bank A ist sich bewusst, dass das Publikum seine Sichteinlagen jederzeit abziehen kann. Sie weiss aber auch, dass dies kaum alle Einleger gleichzeitig tun werden. Deshalb behält sie nur einen Teil der Noten als Reserve und gewährt mit dem Rest einen Kredit, für den sie einen Zins verlangen kann. Nehmen wir an, dass sie 20% oder 200 Franken als Reserve zurückbehält und den Rest, d. h. 800 Franken ausleiht. Damit hat Bank A die Geldmenge, d.h. die Zahlungsmittel in den Händen des Publikums, um 800 Franken auf 1800 Franken erhöht. Die 1800 Franken setzen sich aus 1000 Franken in Form von Sichteinlagen und 800 Franken in Form von Banknoten zusammen.

Der Geldschöpfungsprozess ist damit nicht zu Ende. Der Kreditnehmer bezahlt mit den 800 Franken Waren und Dienstleistungen, worauf der Verkäufer die erhaltenen Noten bei der inzwischen entstandenen Bank B deponiert. Bank B schreibt die 800 Franken dem Verkäufer als Sichteinlage gut, behält 20% als Reserve und leiht den Rest von 640 Franken aus. Sie schafft damit für 640 Franken neues Geld. Der Kreditnehmer der Bank B kauft damit Güter und Dienstleistungen.

Die Noten werden bei Bank C einbezahlt, die wiederum 20% als Reserve behält und den Rest von 512 Franken ausleiht. Damit haben die drei Banken bereits für 1952 Franken neues Geld geschaffen und die ursprüngliche Geldmenge von 1000 Franken fast verdreifacht. Der Geldschöpfungsprozess kann sich auf diese Weise noch einige Zeit fortsetzen. Die neu gewährten Kredite und die entsprechenden Depositen werden aber immer kleiner, da die Banken stets 20% als Reserve zurückbehalten. Das Ende des Prozesses ist erreicht, wenn die ursprüngliche Summe von 1000 Franken für Reserven aufgebraucht ist. Bei einem Reservesatz von 20% ist das dann der Fall, wenn alle Banken zusammen für insgesamt 4000 Franken Kredite gewährt haben und die gesamte Geldmenge damit 5000 Franken beträgt.

Obwohl der Staat ein Geldregal, also ein Vorrecht auf Geldschöpfung besitzt, hat er es sich von den Privatbanken aus der Hand nehmen lassen. Im vorliegenden Beispiel haben die Geschäftsbanken aus 1000 Franken Nationalbankgeld 4000 Franken zusätzliches Bankengeld quasi aus dem Nichts geschöpft und den entsprechenden Geldschöpfungsgewinn privat vereinnahmt. Hinzu kommen stattliche Margengewinne aus der Zinsdifferenz zwischen Geldmarktzinsen und Kontokorrentzinsen.

Statt vom Staat weitere Garantieleistungen für die risikoexponierten Kontokorrentguthaben bei den Privatbanken zu verlangen, oder gesetzgeberisch in die Salärsysteme dieser Finanzinstitute eingreifen und die Gewinnbeteiligungen ihrer Manager begrenzen zu wollen, tut eine viel offensichtlichere und griffigere Gesetzesreform not:

  • Die Sichteinlagen (Giroguthaben) bei den Geschäftsbanken müssen zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt werden. Aus Giralgeld, einem Geldersatz, wird damit Vollgeld.
  • Die Ausgabe der gesetzlichen Zahlungsmittel als staatliches Vorrecht ist strikt auf die Nationalbank zu begrenzen.
  • Die Giroguthaben bei den Geschäftsbanken sind folglich aus deren Bilanzen auszugliedern.

Damit würden die Geldschöpfungsgewinne ausschliesslich dort anfallen, wo sie hingehören, nämlich beim Staat. Das jährliche Wachstum der Geldmenge M1 in der Schweiz beträgt im 5-Jahres-Mittel beinahe 10 Milliarden Franken. Gemäss Statistik der Schweizerischen Nationalbank hat sich die Geldmenge M1 zwischen Juni 2008 und Juni 2009 aber um über 110 Milliarden Franken ausgeweitet. Ich wage mir nicht auszumalen, was dem öffentlichen Finanzhaushalt hier an Geldschöpfungsgewinn entgangen ist.

Weiter wären die Kontokorrentguthaben der Kunden bei den Geschäftsbanken ebenso sicher wie die Bundesobligationen im Wertschriftendepot dieser Banken.

Und drittens kämen die Bilanzsummen der Grossbanken ebenso wie ihre Geschäftsgewinne damit in einen vertretbaren Bereich zu liegen, der vermutlich auch eine weitere Diskussion über die Kaderboni erübrigte.