Sonntag, 14. September 2008

Strom auf Vorrat

Ich stehe in der Warteschlange an der Kasse im Supermarkt und studiere die Auslagen, die über dem Förderband hängen: Batterien und Kaugummi. Wie die der Titel erahnen lässt, spreche ich hier von den Stromkonserven, nicht vom Kauzeug. „Letzte Stromtankstelle vor Ihrem nächsten Einkauf“, scheint das Hängeregal voller „Energizer“ und anderen Zellen mit viel sagenden Attributen wie „Ultra“, „Ultimate“ und „Supreme“ zu verkünden. Die Vielfalt des Angebots ist gross in den beiden häufigsten Grössen AA und AAA sowie 2er-, 4er- und 8er-Packungen. Was fehlt, sind die wiederaufladbaren Standardakkus in denselben Grössen. Dafür ist der Gang in die Fachabteilung erforderlich.

Dass die Grossverteiler in erster Linie die Wegwerfbatterien zum Einmalgebrauch vermarkten, hat wohl seinen Grund. Denn die wiederaufladbaren modernen Hochleistungsakkus sind zwar etwas teurer, erlauben aber bis zu 1‘000 Ladezyklen und untergraben damit natürlich das gute Geschäft mit den Stromkonserven.

In der Schweiz werden pro Jahr 120 Millionen Batterien verkauft. Der jährliche Verbrauch von Batterien hält sich konstant auf rund 3‘700 Tonnen, wovon gemäss Angaben von Batrec rund 66% rezykliert werden. Die Herstellung einer Wegwerfbatterie verbraucht etwa 100-mal mehr Energie als sie zu speichern vermag. Ihre Entsorgung verbraucht nochmal das 50-fache der abgegeben Energie.

Gegen die wiederaufladbaren Akkus in den Standardgrössen AA und AAA sprach bisher ihre relativ hohe Selbstentladungsrate. Die Tests von Dr. Rolf Zinniker vom Institut für Elektronik der ETH Zürich an einer neuen Generation von „easy to use“ Akkus sprechen aber eine andere Sprache. Demnach verfügen diese Akkus auch nach einem Jahr Nichtgebrauch noch über rund 80% ihrer ursprünglichen Ladung.

Das hat mich dazu bewogen, mir einmal Rechenschaft über den Batterieverbrauch unseres Haushalts abzulegen. Wir verbrauchten bisher etwas weniger als das statistische Mittel pro Haushalt von rund 50 Wegwerfbatterien. Beim Kauf von hochwertigen Einweg-Alkali-Mangan-Markenprodukten („Alkaline“) sind das dann zwischen 75 und 100 Franken pro Jahr.

Nun habe ich mir stattdessen einen Satz von 16 Stück dieser neuen Hochleistungsakkus und ein intelligentes Ladegerät gekauft. Bei der Firma Sistech AG gibt es das Ganze als Paket für 88 Franken im Versand. Das im Paket enthaltene Schnellladegerät Swisscharger G4 ist wohl eines der zurzeit besten auf dem Markt. Es kommt ohne externes Netzteil aus, nimmt 100-270 Volt AC und mit dem beiliegenden Anschlusskabel für den Zigarettenanzünder im Auto auch 11-30 Volt DC auf. Es analysiert und lädt von einander unabhängig vier Nickel-Metallhydrid- oder ältere Nickel-Cadmium-Akkus. Auch eine versehentlich eingelegte Wegwerfbatterie wird erkannt und geschont. Der Ladezustand jeder Zelle ist jederzeit über die eingebaute LCD-Anzeige ersichtlich. Auch die mitgelieferten NiMH-Akkus des Typs „accubattery“ halten bis jetzt, was sie versprechen. Und das alles unter dem Label „swissbatteries.com“ von einer Schweizer Firma. Sehr empfehlenswert!

Samstag, 6. September 2008

Energie Thun AG: Tafelsilber auf Pump

Die Stadt Thun sitzt auf einem Schuldenberg von rund 200 Millionen Franken und steht vor der Möglichkeit, diesen mit dem Erlös aus einem möglichen Teilverkauf der Energie Thun AG um rund 75 Millionen Franken abzubauen und die laufende Rechnung um jährlich rund 2 Millionen Franken Schuldendienst zu entlasten. Die SP und Gewerkschaften bekämpfen diesen Schritt erbittert und bezeichnen die vorgeschlagene Beteiligungsnahme der BKW von 49% am Aktienkapital der Energie Thun AG despektierlich als „Verscherbeln des Thuner Tafelsilbers“.

Offenbar entspricht es dem Zeitgeist, nicht mehr danach zu fragen, ob einem das Tafelsilber tatsächlich gehört oder ob man es bloss auf Pump unterhält. Im Zeitalter des Kleinkredits wird so mancher Gegenstand des Wohnungsinventars vorausgesetzt, ob man ihn sich leisten kann oder nicht.

Was einem zwar aktienrechtlich, aber nicht vermögenstechnisch gehört, kann man auch nicht verscherbeln. In einer Gesamtsicht gehören Anlagen im Wert von 200 Millionen Franken aus dem öffentlichen Haushalt von Thun unseren Kreditgebern und gar nicht der Stadt, darunter auch die Energie Thun AG. Angesichts ansteigender Zinsen und auslaufender Darlehen an die Stadt bereitet diese Verschuldung nicht nur mir Sorgen.

Gestern Abend von 17:00 bis 18:30 Uhr liessen sich die interessierten Mitglieder des Thuner Stadtrats über das aktuelle Vertragswerk zwischen Stadt Thun und BKW informieren. Der Vertrag liegt dem politischen Geschäft zugrunde, über welches der Stadtrat an unserer Sitzung vom 18. September zu entscheiden hat. Zeit für das Studium der umfangreichen Sitzungsunterlagen blieb dabei nicht.

Zumindest der SP Thun hat dieser erste Eindruck, ihrer gestrigen Medienmitteilung zufolge, gereicht um festzustellen, dass es sich beim neuen Vertrag um eine Regelung handelt, die „miserabel für die Energie Thun AG“ sei. Nachdem der neue Verwaltungsratspräsident der Energie Thun AG, Kurt Bill, diese Regelung als durchaus valable und in etwa gleichwertige Variante zum Status quo bezeichnet, bedeutet die scharfe Kritik der SP nichts anderes, als dass in den Augen der Linken die Unternehmensleitung der Energie Thun AG in den vergangenen neun Monaten gegen die Interessen des Unternehmens miserabel verhandelt hat.

Mit diesem vorgefassten Urteil desavouiert die SP Thun in erster Linie die Unternehmensleitung der Energie Thun AG und in zweiter Linie die intensive und konstruktive gemeinsame Verhandlungsarbeit von Energie Thun AG, Stadt Thun und BKW. Das Urteil ist Ausfluss bornierter Parteidogmatik und wird weder der Entwicklung der vergangenen neun Monate, der Situation der Energie Thun AG noch der Finanzlage der Stadt Thun gerecht.

Montag, 1. September 2008

HPV-Nachholimpfungen fallen im Kanton Bern aus

Gemäss einem Factsheet des Bundesamts für Gesundheit gibt es mehr als hundert humane Papillomaviren (HPV), welche die Haut oder genitale Schleimhaut befallen. Sie werden sehr leicht durch Geschlechtsverkehr, einfachen Hautkontakt oder Berührung infizierter Schleimhäute übertragen. Bestimmte Papillomaviren rufen Warzen hervor, andere wiederum Krebsvorstufen oder tatsächliche bösartige Veränderungen, insbesondere am Gebärmutterhals aber auch an anderen Orten im Genitalbereich. Dank sehr wirksamer und sicherer Impfstoffe besteht die Möglichkeit eines Impfschutzes gegen die Viren HPV 16 und 18, die mehr als 70% aller Gebärmutterhalskrebserkrankungen verursachen, sowie gegen die Viren HPV 6 und 11, die für über 90% aller Genitalwarzen verantwortlich sind.

Die Eidgenössische Kommission für Impffragen hat im Mai 2007 umfassende Empfehlungen zur HPV-Impfung veröffentlicht. Die wichtigsten Punkte dieser Empfehlungen sind:

  • Alle Mädchen im Alter von 11-14 Jahren (vor dem 15. Geburtstag) sollten geimpft werden.
  • Während der nächsten fünf Jahre, also bis zum Jahr 2012, sollten auch junge Frauen im Alter von 15-19 Jahren geimpft werden (so genannte „Nachholimpfungen“).
  • Bei Frauen über 19 Jahre muss individuell beurteilt werden, ob eine Impfung sinnvoll ist. Zugelassen ist die Impfung für Frauen bis 26 Jahre.

Das Eidgenössische Departement des Innern hat am 21. November 2007 beschlossen, dass ab 1. Januar 2008 die Kosten für die Impfung gegen humane Papillomaviren von der Krankenversicherung übernommen werden, sofern diese im Rahmen von kantonalen Impfprogrammen durchgeführt wird. Somit sind die generelle Impfung der Mädchen im Alter von 11 bis 14 Jahren und die Nachholimpfung der jungen Frauen im Alter von 15 bis 19 Jahren (nur bis zum 31. Dezember 2012) krankenkassenpflichtig.

Die Plenarversammlung der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) hat am 22. November 2007 beschlossen, eine einheitliche Vertragslösung über den Preis der HPV-Impfung auszuhandeln. Am 10. April 2008 hat die GDK den Tarifvertrag zwischen GDK und santésuisse sowie den Vertrag zwischen GDK und dem Impfstofflieferanten Sanofi Pasteur MDS AG genehmigt. Vom 1. Januar 2008 bis 30. Juni 2009 beträgt die im Tarifvertrag festgehaltene Netto-Impfpauschale CHF 159.- (inkl. MWSt) pro Impfung. Der vereinbarte Impfstoffpreis beträgt CHF 140.- (+ 2,4% MWSt). Der Tarifvertrag wurde am 18. Juni 2008 auch vom Bundesrat genehmigt.

Die Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern ist dem Tarifvertrag beigetreten und hat den Liefervertrag mit Sanofi Pasteur MDS AG unterschrieben. Während des Schuljahrs 2008/2009 werden alle Mädchen der 4. bis 9. Volksschulklasse Informationen über die HPV-Impfung, das Impfprogramm und das konkrete Vorgehen im Kanton Bern für ihre Eltern erhalten. Allenfalls wird die Schule in Zusammenarbeit mit dem schulärztlichen Dienst eine öffentliche Sonder-Impfaktion für die HPV-Impfung (für alle 3 Impfungen) der Mädchen der 7. bis 9. Klassen organisieren. Da nicht überall Schulärzte zur Verfügung stehen oder Reihenimpfungen durchgeführt werden, können sich auch Praxisärzte für die Impfprogramme anmelden und den Impfstoff kostenlos beziehen. Dabei dürfen die Hausärzte im Kanton Bern eine Entschädigung von CHF 15.- pro Impfung verrechnen. Zudem müssen sie mindestens 9 Dosen des Impfstoffs bestellen. Falls die Dosen bis zum 30. Juni 2009 nicht gebraucht werden, muss der Arzt sie selber bezahlen.

Diese Ansätze sind nach Ansicht der Schweiz. Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SGAM) ein Skandal, weil sie nicht einmal die eigenen Unkosten decken. Denn eine HPV-Impfung ist weit zeitaufwändiger als von den Kantonen vorgesehen. Sie braucht vorgängig eine ausführliche Beratung, welche im Gegensatz zum Impfstoff aber nicht kassenpflichtig ist. Es geht nach Ansicht der SGAM nicht an, ein Impfprogramm auf Kosten der Hausärzte durchzuführen und gleichzeitig die Pharmaindustrie mit einem horrenden Impfstoffpreis zu belohnen. In den USA kostet übrigens die vollständige Impfung mit Gardasil (drei Impfdosen) bloss 360 US-Dollar, in der Schweiz hingegen CHF 710.

Die SGAM empfiehlt deshalb ihren Mitgliedern, unter diesen Bedingungen auf HPV-Impfungen in der eigenen Praxis zu verzichten. Die Nachholimpfung der jungen Frauen im Alter von 15 bis 19 Jahren dürfte damit wohl ins Wasser fallen. Zumindest unser Hausarzt in Thun wird die Impfung unter diesen Rahmenbedingungen nicht anbieten, wofür ich Verständnis aufbringe.

Gebärmutterhalskrebs ist nach dem Brustkrebs die zweithäufigste Krebserkrankung bei Frauen. Täglich sterben in Europa noch 40 Frauen daran. Mir ist unbegreiflich, wie man vor diesem Hintergrund den medizinischen Fortschritt einer kurzsichtigen Tarifregelung am Verwaltungsschreibtisch opfern kann.

Dass es auch anders geht, zeigt der Fall des Kantons Solothurn, wo sich als Verhandlungspartner der Impfstoffhersteller, die Gesellschaft der Ärztinnen und Ärzte des Kantons Solothurn, die Ärztekasse und das kantonale Gesundheitsamt an einen Tisch gesetzt und eine einvernehmlich Regelung getroffen haben, die der solothurnische Regierungsrat voraussichtlich an seiner morgigen Sitzung genehmigen wird.

Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass man auch im Kanton Bern noch zur Räson und zu einer pragmatischen Tarifregelung kommt, welche die Rolle der Praxisärzte nicht einfach ausblendet.