Sonntag, 27. Juni 2010

Thuner Schlossberg als Zankapfel?

„Was passiert auf dem Schlossberg?“, fragt das Thuner Tagblatt in breiter Aufmachung in seiner Ausgabe vom 26.06.2010. Die Frage ist berechtigt, denn die Kommunikationspolitik des Thuner Gemeinderats zu diesem Geschäft ist mit Verlaub – zum Sujet passend – mittelalterlich. Von der Regierung einer Stadt mit Tradition in der Herstellung von Schiesspulver dürfte man eigentlich erwarten, ein Pulverfass zu erkennen, wenn sie eines sieht, insbesondere wenn sie wiederholt auf die dem Umnutzungsgeschäft inhärente Brisanz hingewiesen wird.

So hat die bislang zuständige Sachkommission 1 des Stadtrats auf meinen Antrag hin das Geschäft erst kürzlich traktandiert – gegen den Willen des Gemeinderats und unter dem Aspekt der Sicherstellung der Interessenwahrung des Schlossmuseums. Die Beratungen dieser Kommission sind nicht öffentlich, aber so viel sei gesagt: Ich habe mich von den Ausführungen des Gemeinderats zum Vorgehen im anstehenden Vertragsabschluss mit dem Investor sehr explizit als nicht überzeugt erklärt. Doch der Weg zum Abschluss eines Baurechtsvertrags mit dem anvisierten Investor liegt in der alleinigen Kompetenz des Gemeinderats. Und der will sich offensichtlich von Warnungen vor vorprogrammierten Nutzerkonflikten nicht beirren lassen.

Die Ausführungen von Hans Kelterborn in seiner Funktion als Stiftungsratspräsident des Thuner Schlossmuseums gegenüber dem Thuner Tagblatt bestätigen meine Bedenken. Das zukünftige konstruktive Nebeneinander von öffentlicher und privater Nutzung ist jetzt mit dem Investor zu regeln, bevor die Vertragsparteien einander gegenseitig definitiv verpflichten. Ein überzeugendes Nutzungskonzept des bekannten und erfahrenen Investors müsste dieser breiteren Diskussion standhalten.

Zu Stimmungsmache nach dem Motto „Das Schloss den Thunern“ besteht aber kein Anlass. Bei allfälligen Konflikten auf dem Schlossberg geht es um Fragen der gemischten öffentlichen und privaten Nutzung, nicht um die Eigentumsverhältnisse. Erinnert sei an den Umstand, dass die Schlossbergliegenschaften während langen Jahrhunderten eben gerade nicht den Thunern gehört haben, sondern dem Kanton Bern. In einem Akt von Hurra-Patriotismus hat der Thuner Stadtrat am 21. September 2006 gegen meine Stimme die historischen Gebäude auf dem Schlossberg vom Kanton übernommen – und damit auch die grosse Verantwortung für deren Unterhalt und Zukunft.

Der nun mindestens inoffiziell bekannt gemachte Investor hat mein Vertrauen. Ich wünsche mir, dass er sich seinerseits einer offenen und direkten Auseinandersetzung mit den berechtigten Anliegen des Schlossmuseums stellt. Nur so ist eine zukünftige Symbiose auf dem Schlossberg zu erwarten, von der sowohl die Stadt Thun, die Trägerschaft des Schlossmuseums und seine Besucherinnen und Besucher ebenso wie die Investor-Familie profitieren können.

Samstag, 19. Juni 2010

Linux auf dem geordneten Rückzug

Im Kanton Solothurn scheint die Vernunft Einkehr zu halten. Die Anpassung der kantonalen Open-Source-Informatikstrategie fordert ein prominentes Opfer: IT-Chef und Linux-Hardliner Kurt Bader wird seines Postens enthoben und auf Ende Juni freigestellt. Er teilt in der Ambassadorenstadt damit das Schicksal der Stadtheiligen Urs und Viktor. Dass er ausserhalb der Open-Source-Community und insbesondere innerhalb der Verwaltung auch zum Märtyrer wird, wage ich zu bezweifeln.

Sie solothurnische Staatskanzlei schreibt dazu in einer Medienmitteilung: „Mit der flächendeckenden Desktop-Umstellung auf Linux ist die Umsetzung der Strategie in eine Phase getreten, in welcher sich die Frage stellt, wie kompromisslos heute schon die Arbeitsplatzausrüstung auf Open-Source-Produkte erfolgen soll. Erste Ergebnisse der vom Regierungsrat beigezogenen Experten zur Überprüfung der Strategieumsetzung zeigen, dass ein differenziertes Vorgehen erforderlich ist und Microsoft basierte Anwendungen zum heutigen Zeitpunkt nicht in jedem Fall im vom AIO vorgesehenen Umfang ausgeschlossen
werden können.“

In der Kritik steht neben der Solothurner Informatikstrategie, die 2001 von der Regierung und vom Kantonsrat als „Sparübung“ beschlossen wurde, auch der verantwortliche Regierungsrat und Finanzdirektor Christian Wanner (FDP). Heute räumt er in einem Bericht des Oltner Tagblatts vom 18. Juni 2010 ein, dass sich das Open-Source-Umfeld nicht so entwickelt habe wie angenommen. Tiefer als angenommen fallen laut Wanner auch die erwarteten Kosteneinsparungen aus. Konkret wollte er aber nicht werden. Die Schlussexpertise zur IT-Strategie wird erst im Sommer vorliegen.

Den Medienberichten zufolge verhehlt Wanner nicht, dass sich die künftige Strategie an jener des Kantons Basel-Stadt orientiert. Dort soll Open-Source-Software mit einem „differenzierten und pragmatischen Ansatz“ gefördert werden. Differenziert in der Hinsicht, dass die Software jeweils in den verschiedenen Domänen der Informatikarchitektur untersucht wird und nicht auf die Glaubensfrage „Windows versus Linux reduziert wird“. Pragmatisch in dem Sinne, dass der Nutzen bewährter und im Einsatz stehender lizenzgebührenpflichtiger Software sowie des damit verbundenen Know-hows anerkannt und „daher ein dualer Weg beschritten wird“.

Vorerst soll nun die Solothurner Gerichtsverwaltung „linuxbefreit“ und mit neusten Microsoft-Anwendungen aufgerüstet werden.

Freitag, 11. Juni 2010

Nichts für Kinder ist der Türkentrank

Blass und krank mache er einen und sei nichts für Kinder, der Türkentrank. Wer von uns erinnert sich nicht an die Singstunde, in der Carl Gottlieb Herings Kanon „C-A-F-F-E-E“ auf dem Programm stand? Ob der Lehrer und Musiker Hering selbst dem Trank entsagt hat, wissen wir nicht, aber zu vermuten ist es. Immerhin erreichte er in seinem Todesjahr 1853 das für damalige Verhältnisse biblische Alter von 86 Jahren.

Aktueller als die Geschichte vom Kaffee wäre diejenige vom Muselmann. Aber darum geht es mir heute nicht. Zu berichten ist in der Tat vom Kaffee – von einem Kaffee-Erlebnis der besonderen Art.

Im Februar 2010 hat mich das Thuner Tagblatt im Vorfeld der kantonalen Wahlen als Kandidat gefragt, mit wem ich denn gerne einmal einen Kaffee trinken würde und warum? Mit einem der bekannten Thuner Baristi Mathias Bühler, Thomas Liebe oder Philipp Meier, habe ich geantwortet. Weil ich Kaffeegeniesser sei und ich ihre Kunst bewundere.

Nun, das Thuner Tagblatt wird gelesen, und diese Woche ging mein Wunsch in Erfüllung. Auf Vermittlung meines Leichtathletik-Freundes Stefan Illi war ich bei Thomas und Anna Barbara Liebe in Allmendingen zum privaten Kaffee-Zeremoniell eingeladen. Degustriert haben wir einen äthiopischen Kaffee aus der Provinz Sidamo, aus biologischem Anbau und fairem Handel, importiert und geröstet von Daniel Suter in seiner Gourmet-Kaffeerösterei derkaffee im emmentalischen Signau (erhältlich unter www.derkaffee.ch). Verkostet haben wir den Sidamo mittlerer Röstung zuerst als Filterkaffee, dann als Cappuccino und schliesslich als Espresso, mit und ohne Zucker.

Dass der Gewinner der Schweizer Barista-Meisterschaft 2008 Thomas Liebe dabei nichts dem Zufall überliess, versteht sich von selbst. Dass das Wasser während der Filter-Extraktion des Kaffees zwischen 92 und 96 Grad heiss war, überwachte er mit dem Digitalthermometer. Dass der Mahlgrad des Kaffees richtig war, bestätigte ihm die Espressomaschine, indem der Kaffee 4-7 Sekunden nach dem Knopfdruck zu laufen begann. Genau genommen müssen in 25 Sekunden 25 Milliliter Espresso aus der Maschine fliessen.

Das Resultat dieser Akribie war überwältigend: Ein intensiv fruchtiger Espresso von feiner Säure, ohne Bitterkeit. Die für meinen Geschmack ausnahmsweise gezuckerte Variante bildete den Höhepunkt und zugleich den Abschluss unserer Degustation im kleinen Kreis.

Niemand wird erwarten, dass Thomas Liebe seine Arbeit an der Kaffeemühle und –maschine kommentarlos verrichtete. Der diplomierte Industriedesigner, der 1996 seine Firma Ad Rem Design AG gründete, erläuterte uns jeden Handgriff und fand dabei noch Zeit für Exkurse in seine frühere Tätigkeit für die Verpackungsindustrie.

Heute darf ich sagen: Ich bewundere nicht bloss seine Barista-Kunst, sondern auch sein Engagement und seine Leidenschaft als Designer. Sein neuestes Kind, die professionelle Espressomaschine dc pro aus dem Hause Dalla Corte, tritt auch in Italien ihren Siegeszug an. Man stelle sich vor: Chromglänzendes Schweizer Design aus Thun auf den Altären italienischer Kaffeetempel!

Lieber Thomas, lieber Stefan, ich bin beeindruckt. Herzlichen Dank für das vermittelte Kaffee- und Design-Erlebnis!