Sonntag, 12. Oktober 2014

Die Mär vom schlanken Staat

Am 10. Oktober 2014 stellte die Geschäftsprüfungskommission des Ständerats (GPK-S) ihren Bericht über den Beizug externer Mitarbeitender in der Bundesverwaltung der Öffentlichkeit vor. Er stützt sich auf eine umfangreichere Untersuchung der parlamentarischen Verwaltungskontrollen, die gleichzeitig veröffentlicht wurde.

In der Samstagsausgabe vom 11. Oktober 2014 der Tageszeitungen Der Bund und Tagesanzeiger berichtete Christian Brönnimann über diese Befunde. Seinen Bericht ergänzte er mit dem folgenden Interview mit mir.


Sie kritisieren, der Bund beschäftige viel zu viel externes Personal, speziell im IT-Bereich. Als IT-Unternehmer könnten Sie doch gerade davon profitieren.
Meine Kritik zielt auf den Umfang des externen Personalbeizugs. Die riesigen Vergabevolumen führen dazu, dass nur noch Personalverleihfirmen zum Handkuss kommen können und nicht mehr eigentliche Informatikunternehmen. In vielen Ausschreibung wird heute offiziell gefordert, dass man im Verleihgeschäft tätig sein muss. Das schliesst spezialisierte mittelständische Firmen aus.

Wer sind denn die Profiteure?
Teilweise haben die Personalverleiher ihre Wurzeln tatsächlich im Informatikbereich. Sie passten aber ihr Geschäftsmodell an, schlossen sich beispielsweise dem Gesamtarbeitsvertrag Personalverleih an oder gründeten dazu ein Tochterunternehmen. Das macht man als Firma nicht leichtfertig, sondern nur dann, wenn man ganz bewusst dieses Geschäft pflegen will. Ein grosser Player im IT-Personalverleih ist die international tätige Unisys.

Wie gross ist die Marge bei Personalverleihern?
Es ist ein Geschäft, das man grundsätzlich als Briefkastenfirma führen kann. Es gibt lediglich Minimalanforderungen für die Bewilligung. Eine gewisse Führungserfahrung im Personalbereich reicht aus. Eine oder zwei Person können so einen Mitarbeiterstab von 250 Spezialisten oder mehr vermarkten. Da liegen Margen von hundert Prozent drin.

Versuchen Sie mit Ihrer Kritik nicht einfach bessere Bedingungen für das eigene Geschäft zu schaffen?
Das könnte man einwenden. Aber dem ist entgegenzuhalten, dass die heutigen Praxis der Verwaltung nicht nur höhere Kosten bringt, sondern noch weitere Nachteile. Wenn die Verwaltung einfach externes Personal holt mit der einzigen Vorgabe, dass die Leute eine gewisse Ausbildung haben müssen, dann verliert die Verwaltung auch Kontrolle und trägt gleichzeitig das volle Projektrisiko. Es besteht zudem die Gefahr, dass externe IT-Teams zusammengewürfelt sind und schlecht harmonieren. Mit Werkverträgen hingegen könnte die Verwaltung auch die Verantwortung und das Risiko outsourcen. Um Werkverträge korrekt abzuwickeln, fehlt aber häufig das IT-fachliche Know-how.

Gegen Vergaben sind Einsprachen möglich. Weshalb wehren sich KMU, wie Sie eines führen, nicht stärker gegen die Praxis der Verwaltung?
Es gibt bei Vergaben bestimmte Formvorschriften. Wenn die eingehalten sind, dann fehlt die Grundlage für eine Einsprache. Wenn, wie in letzter Zeit vermehrt gemacht, in einer einzigen Ausschreibung sehr viele Vorhaben paketiert und Zehntausende Arbeitsstunden en bloc eingekauft werden, ist das juristisch nicht per se anfechtbar. Zumindest gibt es dazu kein Leiturteil des Bundesverwaltungsgerichts.

In einem Vortrag sprachen Sie bezüglich dieser Praxis von einem schleichenden Skandal, der Korruption begünstige. Wie meinen Sie das? Das Korruptionsrisiko ist bei solchen Mega-Ausschreibungen tatsächlich beträchtlich. Das liegt daran, dass die effektiven Projekte ohne Publikation im kleinen Kreis mit den wenigen im Voraus bestimmten Personalverleihern abgewickelt werden. Das ist intransparent, und die Kontrolle des Marktes versagt völlig. In der IT-Szene kennt man sich und schaut aufeinander. Bei Rahmenverträgen im Personalverleih ist das unmöglich.

Was schätzen Sie, wie viel Geld könnte der Bund mit einer anderen Praxis allein im IT-Bereich einsparen?
Die Alternative wäre ja, dass die Verwaltung ausser vorübergehend für Spezialisten oder die Bewältigung von temporärer Spitzenlast alle Personen selber anstellen würde. Ich stimme mit der Untersuchung der GPK überein, dass so heutige Mehrkosten von bis zu 50 Prozent eingespart werden könnten, also um die 200 Millionen Franken.

Hat sich die Politik ins eigene Fleisch geschnitten mit klammen Budgets und Personalstopp? Schliesslich muss ja jemand die anfallende Arbeit erledigen.
Es ist fast ein Naturgesetz, dass jede Verwaltung einen gewissen Hang zu Wachstum hat. Ebenso natürlich ist es, dass das Parlament das eindämmen will. Ein wachsames Auge auf das Personalwachstum, das einer der grössten Kostentreiber ist, ist also richtig. Gleichzeitig darf man aber die Ausweichmechanismen nicht vergessen. Die Entwicklung beim externen Personal ist einer davon. Deshalb ist es sehr zu begrüssen, dass sich die GPK dem nun angenommen hat.

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