Man würde meinen, eine derart intensive öffentliche Auseinandersetzung mit dem Thema Geld, Banken und ihrer Rolle für die Schweiz hätte zwangsläufig eine Schärfung des allgemeinen Verständnisses unseres Geldsystems zur Folge. Angesichts der bisher verbreiteten politischen Rezepte gegen die Krise scheint dem aber nicht so zu sein. Die Reformbestreben kratzen lediglich an der Oberfläche unserer Finanzwelt. Während die Abzockerdebatte noch nicht ganz abgeebbt ist, erklären die ersten Analysten die Talsohle der Konjunktur bereits als durchschritten, die ersten Finanzinstitute überraschen wieder mit stolzen Gewinnen und die entsprechenden Gewinnbeteiligungen der Bankkader versetzen die Gemüter der zu Hilfe gerufenen Steuerzahler noch einmal in Wallung. Der Weg der Rückkehr ins alte Fahrwasser scheint vorgezeichnet.
Wie steht es aber mit Antworten auf ganz elementare Fragen wie: Woher stammt unser Geld? Gemäss Statistik der Schweizerischen Nationalbank (SNB) hat sich die Geldmenge M1 zwischen Juni 2008 und Juni 2009 immerhin um über 110 Milliarden Franken ausgeweitet. Auch ich habe bei der Beantwortung dieser Frage lange nur an die Eidgenössische Münzstätte und die Nationalbank gedacht. Was genau gilt als Geld? Neben der Landeswährung in Münzen und Banknoten: Gold und Silber in Form geprägter Münzen, oder gar in allgemeiner Form? Schecks, Scheckkarten, Debitkarten und Kreditkarten? Wie steht es mit Guthaben auf Girokonten, die ja für die heutigen Zahlungsströme das Bargeld als Transaktionsmittel schon längst bei weitem überflügelt haben? Sind Ersparnisse auf einem Sparkonto Geld (im Sinne von „Ich habe Geld auf der Bank“)?
Ich bekenne mich zu meiner späten Erkenntnis der letzten Monate, dass in unserem heutigen Geld- und Bankensystem der weitaus grösste Teil neuen Gelds nicht, wie unter dem Titel eines Geldregals erwartet, von der Zentralbank des jeweiligen Wirtschaftsraums geschöpft wird, sondern in Form von unbarem Geld durch den Kreditmechanismus der mehrheitlich privaten Geschäftsbanken. Insofern fällt auch der entsprechende Gewinn der Geldschöpfung quasi „aus dem Nichts“ nicht beim staatlichen Inhaber des Geldregals ab, sondern als so genannte Seigniorage in Form von Extragewinnen bei den Geschäftsbanken. Entsprechend umständlich ist auch die geldpolitische Steuerung durch die Zentralbanken, welche die umlaufende Geldmenge ja nur mehr indirekt hauptsächlich via Zinspolitik kontrollieren können.
Weil die neu geschöpften Kreditmittel den Geschäftsbanken ausserordentlich günstig zur Verfügung stehen, realisieren sie über die Seigniorage hinaus einen Extramargengewinn. Sie haben also alle erdenklichen Anreize, die private Geldschöpfungsmaschine aus verzinslichen Krediten an ihre Kunden kräftig auf Touren zu halten, unabhängig von der Geldpolitik der jeweiligen Zentralbank und möglicherweise entgegen deren Zielsetzung.
Für mich ist, wie gesagt, diese Erkenntnis neu und der erkannte Sachverhalt fundamental falsch. Er ist mitverantwortlich für die jüngste Finanzkrise, in dem er starke Anreize setzt für die überschiessende Kreditvergabe, für die Bildung von Spekulationsblasen und die masslose Verschuldung vieler Beteiligter.
Ich setze mich deshalb ein für eine Vollgeldreform im Sinne von Huber und Robertson und fordere politisch
- die Wiederherstellung des staatlichen Vorrechts der Geldschöpfung
- die Beendigung jeglicher Geldschöpfung durch die Geschäftsbanken
- das schuldenfreie Inumlaufbringen neu geschöpften Geldes durch öffentliche Ausgaben
Diese Forderungen rütteln an den Grundfesten unseres 500 Jahre alten Bankensystems, das ursprünglich für Metallgeld konzipiert wurde und das weder der Natur noch der Geschwindigkeit der heutigen elektronischen Zahlungsströme gerecht wird. Unter Gerechtigkeit verstehe ich etwa, dass der Geldwert kollektiver Ressourcen nicht bloss Einzelnen zugute kommen soll, sondern allen Bürgerinnen und Bürgern. Die zirkulierende Geldmenge ist eine solche Ressource. Der Gewinn aus ihrer Schöpfung steht der Allgemeinheit zu. Vielleicht braucht es zu diesem Verständnis von Geld etwas Geist im Sinne von Jeremias Gotthelf.
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