Griechenland droht der Staatsbankrott. Eine dramatische Schuldenkrise macht das Land praktisch zum Paria-Staat innerhalb der EU. Die sozialistische Regierung Papandreou kündigt ein längst überfälliges rigoroses Sparprogramm an, das laut letzten Umfragen weit über 60 Prozent der Bürgerinnen und Bürger als notwendig erachten und mitzutragen bereit sind.
Ungeachtet aller Realitäten machen die griechischen Linksparteien und Gewerkschaften mobil gegen die Rettungsmassnahmen der Regierung, zu denen auch eine Anhebung des durchschnittlichen Rentenalters um 2 Jahre auf 63 Jahre zählt, um den Zusammenbruch des maroden Sozialversicherungssystems abzuwenden.
Hiesige Medienberichte zitieren griechische Gewerkschaftsführer mit Aussagen wie diesen: „Das ist ein Krieg gegen die Arbeiter. Wir werden mit Krieg antworten.“ „Die Einkommen der Arbeiter dürfen nicht schon wieder auf dem Altar der Plutokratie geopfert werden.“ „Wir streiken, um unsere Würde zu verteidigen.“
Ein von der mächtigen Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes ausgerufener landesweiter Streik im öffentlichen Dienst hat am Mittwoch den Flugverkehr lahmgelegt. Schulen, Finanzämter und Universitäten blieben geschlossen. In öffentlichen Krankenhäusern gab es offenbar nur einen Notdienst. Für den 24. Februar hat der nationale Gewerkschaftsbund einen Generalstreik ausgerufen.
In der schweizerischen Inszenierung dieses Trauerspiels heissen die Parolen unserer Gewerkschaften: „Nein zum Rentenklau. Für viele Arbeitnehmende wäre im Alter ein Leben in Würde gefährdet.“ „Die zweite Säule wird zu einem Selbstbedienungsladen für die Versicherungsgesellschaften.“ „Die Lüge vom 600 Millionen-Rentenloch – dieses existiert nicht.“
Ausschlaggebend für die vom Parlament verabschiedete Revision des Bundesgesetzes über die berufliche Vorsorge (BVG) ist einerseits die kontinuierliche Zunahme der Lebenserwartung unserer Rentnerinnen und Rentner und andererseits die zurzeit ungenügende Rendite auf risikoarmen Anlagen, mit welcher die Pensionskassen den bisherigen Mindestumwandlungssatz auf dem Alterskapital nicht finanzieren können.
Die politische Linke und die Gewerkschaften markieren mit Bildern von Taschendiebstahl empört den Rentenklau und mobilisieren mit Blick auf die Volksabstimmung vom 7. März 2010 Widerstand mit einem Appell an den Egoismus der Stimmberechtigten. Ganz bewusst sprechen sie von drohenden Rentenkürzungen, statt einer Reduktion des Rentenumwandlungssatzes. Dass beispielsweise 1991 bei einer Jahresteuerung von fast 6 Prozent und einem problemlos realisierbaren Bruttoertrag von 5 Prozent das jeweilige Alterskapital real um 1 Prozent dahin schmolz, wird tunlichsts ausgeblendet. Dafür beharrt die Linke heute bei völlig ausbleibender Teuerung auf einer unrealistischen Rendite von 5 Prozent.
Das Referendum gegen die vorliegende BVG-Revision ist sachlich unbegründet. Der Abstimmungskampf der SP und Gewerkschaften nährt sich vom Zorn vieler Stimmberechtigter, und bedient sich seiner, über das Geschäftsgebaren der Grossbanken und einzelner Versicherungskonzerne, über eigene erlittene Verluste auf Vermögensanlagen der 3. Säule und Lohnexzesse in den Führungsetagen einst angesehener Unternehmen. Der populistische Abstimmungskampf dient der Linken zur Profilierung, ebenso wie die SVP die Abzocker-Initiative von Thomas Minder an sich reisst, um damit bei der Wählerschaft zu punkten.
Die von Bevölkerungsstatistik und Versicherungsmathematik technisch geprägten Argumentarien pro und kontra und der emotionalisierte Abstimmungskampf sind ein Streit um des Kaisers Bart. Wer kann die Entwicklung der Lebenserwartung oder der Finanzmärkte auf 40 Jahre hinaus vorhersagen? Die Kontroverse ist eine Folge der Überregulierung und Verpolitisierung der beruflichen Vorsorge, die ihren Anfang 1985 mit der Einführung des Obligatoriums genommen hat.
In diesem Sinn bedeutete die drohende Ablehnung der Vorlage an der Urne nicht den Zusammenbruch unseres Sozialversicherungssystems. Allerdings ist diesfalls zu erwarten, dass die Alternativen – Anhebung des Rentenalters, Anhebung der BVG-Beiträge – dieselben Akteure kurz über lang zu einer neuen Inszenierung desselben Schauspiels in diesem Theater aufbieten werden.
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