Donnerstag, 4. Februar 2010

Geldreform, die ich meine

Als gesetzliche Zahlungsmittel gelten in der Schweiz:

  • die vom Bund ausgegebenen Münzen;
  • die von der Schweizerischen Nationalbank ausgegebenen Banknoten;
  • auf Franken lautende Sichtguthaben bei der Schweizerischen Nationalbank.

Abschliessend festgeschrieben ist es so im Artikel 2 des Bundesgesetzes über die Währung und die Zahlungsmittel (WZG).

Überraschenderweise nicht zu den gesetzlichen Zahlungsmitteln zählt das heutige Zahlungsmittel Nummer 1: Sichtguthaben (besser bekannt als Giro- oder Kontokorrentguthaben) bei den Geschäftsbanken oder Postfinance. Was, wenn nicht Geld im Sinne des Gesetzes, sind denn diese Guthaben?

Sie sind ein Geldersatz, ein Surrogat. Bilanztechnisch sind sie ein Bargeldkredit der Kunden an die Bank. Konsequenterweise erscheinen sie auch in der Bilanz der Bank, und die Bank behandelt sie als „ihr Geld“, das ihr der Kunde als Darlehen zur Verfügung gestellt hat. Die Illusion des Kunden, der immer noch „sein Geld“ auf dem Kontokorrent wähnt, entpuppt sich im Falle eines Bankencrashs brutal: „Das Geld“ ist weg – die Spar- und Leihkasse Thun lässt grüssen.

Störend an diesem Sachverhalt ist, dass

  • das wichtigste Zahlungsmittel des Landes heute ungesetzlich ist;
  • der Staat Bürger und Unternehmen in seinem eigenen Girozahlungsverkehr anhält, ungesetzliches Bankengeld anstelle seines eigenen Geldes zu verwenden;
  • die Bankbilanzen durch die Sichtguthaben der Kunden über Mass aufgebläht werden;
  • der Staat angerufen wird, die Kontokorrentguthaben der Kunden bei den Geschäftsbanken mindestens in begrenztem, aber zunehmendem Umfang abzusichern gegen die Geschäftsrisiken dieser privaten Institute;
  • die Banken dieses Geldsurrogat nach eigenem Belieben und mit unglaublichem Gewinn herstellen können, ohne dass die Schweizerische Nationalbank noch bestimmenden Einfluss darauf hätte.

Von all diesen Störfaktoren stellt die lukrative Geldherstellung oder -schöpfung durch die Privatbanken den grössten Reformbedarf dar. Wie diese virtuelle Notenpresse funktioniert, haben M. Sophie Faber und Eveline Ruoss von der Schweizerischen Nationalbank in einer Lehrerinformationsschrift im Jahr 2000 anhand des folgenden Beispiels in den Grundzügen aufgezeigt.

Gehen wir zunächst von einer Welt ohne Geschäftsbanken aus, in der die von der Nationalbank ausgegebenen Noten das einzige Zahlungsmittel bilden. Die Geldmenge ist dann gleich der Summe der umlaufenden Noten und beträgt zum Beispiel 1000 Franken. Nun wird Bank A gegründet, worauf das Publikum sämtliche Noten bei dieser Bank deponiert und dafür einen Zinsertrag erhält. Die Geldmenge beträgt immer noch 1000 Franken. Sie besteht aber nicht mehr aus Banknoten, sondern aus Sichteinlagen bei Bank A.

Bank A ist sich bewusst, dass das Publikum seine Sichteinlagen jederzeit abziehen kann. Sie weiss aber auch, dass dies kaum alle Einleger gleichzeitig tun werden. Deshalb behält sie nur einen Teil der Noten als Reserve und gewährt mit dem Rest einen Kredit, für den sie einen Zins verlangen kann. Nehmen wir an, dass sie 20% oder 200 Franken als Reserve zurückbehält und den Rest, d. h. 800 Franken ausleiht. Damit hat Bank A die Geldmenge, d.h. die Zahlungsmittel in den Händen des Publikums, um 800 Franken auf 1800 Franken erhöht. Die 1800 Franken setzen sich aus 1000 Franken in Form von Sichteinlagen und 800 Franken in Form von Banknoten zusammen.

Der Geldschöpfungsprozess ist damit nicht zu Ende. Der Kreditnehmer bezahlt mit den 800 Franken Waren und Dienstleistungen, worauf der Verkäufer die erhaltenen Noten bei der inzwischen entstandenen Bank B deponiert. Bank B schreibt die 800 Franken dem Verkäufer als Sichteinlage gut, behält 20% als Reserve und leiht den Rest von 640 Franken aus. Sie schafft damit für 640 Franken neues Geld. Der Kreditnehmer der Bank B kauft damit Güter und Dienstleistungen.

Die Noten werden bei Bank C einbezahlt, die wiederum 20% als Reserve behält und den Rest von 512 Franken ausleiht. Damit haben die drei Banken bereits für 1952 Franken neues Geld geschaffen und die ursprüngliche Geldmenge von 1000 Franken fast verdreifacht. Der Geldschöpfungsprozess kann sich auf diese Weise noch einige Zeit fortsetzen. Die neu gewährten Kredite und die entsprechenden Depositen werden aber immer kleiner, da die Banken stets 20% als Reserve zurückbehalten. Das Ende des Prozesses ist erreicht, wenn die ursprüngliche Summe von 1000 Franken für Reserven aufgebraucht ist. Bei einem Reservesatz von 20% ist das dann der Fall, wenn alle Banken zusammen für insgesamt 4000 Franken Kredite gewährt haben und die gesamte Geldmenge damit 5000 Franken beträgt.

Obwohl der Staat ein Geldregal, also ein Vorrecht auf Geldschöpfung besitzt, hat er es sich von den Privatbanken aus der Hand nehmen lassen. Im vorliegenden Beispiel haben die Geschäftsbanken aus 1000 Franken Nationalbankgeld 4000 Franken zusätzliches Bankengeld quasi aus dem Nichts geschöpft und den entsprechenden Geldschöpfungsgewinn privat vereinnahmt. Hinzu kommen stattliche Margengewinne aus der Zinsdifferenz zwischen Geldmarktzinsen und Kontokorrentzinsen.

Statt vom Staat weitere Garantieleistungen für die risikoexponierten Kontokorrentguthaben bei den Privatbanken zu verlangen, oder gesetzgeberisch in die Salärsysteme dieser Finanzinstitute eingreifen und die Gewinnbeteiligungen ihrer Manager begrenzen zu wollen, tut eine viel offensichtlichere und griffigere Gesetzesreform not:

  • Die Sichteinlagen (Giroguthaben) bei den Geschäftsbanken müssen zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt werden. Aus Giralgeld, einem Geldersatz, wird damit Vollgeld.
  • Die Ausgabe der gesetzlichen Zahlungsmittel als staatliches Vorrecht ist strikt auf die Nationalbank zu begrenzen.
  • Die Giroguthaben bei den Geschäftsbanken sind folglich aus deren Bilanzen auszugliedern.

Damit würden die Geldschöpfungsgewinne ausschliesslich dort anfallen, wo sie hingehören, nämlich beim Staat. Das jährliche Wachstum der Geldmenge M1 in der Schweiz beträgt im 5-Jahres-Mittel beinahe 10 Milliarden Franken. Gemäss Statistik der Schweizerischen Nationalbank hat sich die Geldmenge M1 zwischen Juni 2008 und Juni 2009 aber um über 110 Milliarden Franken ausgeweitet. Ich wage mir nicht auszumalen, was dem öffentlichen Finanzhaushalt hier an Geldschöpfungsgewinn entgangen ist.

Weiter wären die Kontokorrentguthaben der Kunden bei den Geschäftsbanken ebenso sicher wie die Bundesobligationen im Wertschriftendepot dieser Banken.

Und drittens kämen die Bilanzsummen der Grossbanken ebenso wie ihre Geschäftsgewinne damit in einen vertretbaren Bereich zu liegen, der vermutlich auch eine weitere Diskussion über die Kaderboni erübrigte.

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