Freitag, 11. Juni 2010

Nichts für Kinder ist der Türkentrank

Blass und krank mache er einen und sei nichts für Kinder, der Türkentrank. Wer von uns erinnert sich nicht an die Singstunde, in der Carl Gottlieb Herings Kanon „C-A-F-F-E-E“ auf dem Programm stand? Ob der Lehrer und Musiker Hering selbst dem Trank entsagt hat, wissen wir nicht, aber zu vermuten ist es. Immerhin erreichte er in seinem Todesjahr 1853 das für damalige Verhältnisse biblische Alter von 86 Jahren.

Aktueller als die Geschichte vom Kaffee wäre diejenige vom Muselmann. Aber darum geht es mir heute nicht. Zu berichten ist in der Tat vom Kaffee – von einem Kaffee-Erlebnis der besonderen Art.

Im Februar 2010 hat mich das Thuner Tagblatt im Vorfeld der kantonalen Wahlen als Kandidat gefragt, mit wem ich denn gerne einmal einen Kaffee trinken würde und warum? Mit einem der bekannten Thuner Baristi Mathias Bühler, Thomas Liebe oder Philipp Meier, habe ich geantwortet. Weil ich Kaffeegeniesser sei und ich ihre Kunst bewundere.

Nun, das Thuner Tagblatt wird gelesen, und diese Woche ging mein Wunsch in Erfüllung. Auf Vermittlung meines Leichtathletik-Freundes Stefan Illi war ich bei Thomas und Anna Barbara Liebe in Allmendingen zum privaten Kaffee-Zeremoniell eingeladen. Degustriert haben wir einen äthiopischen Kaffee aus der Provinz Sidamo, aus biologischem Anbau und fairem Handel, importiert und geröstet von Daniel Suter in seiner Gourmet-Kaffeerösterei derkaffee im emmentalischen Signau (erhältlich unter www.derkaffee.ch). Verkostet haben wir den Sidamo mittlerer Röstung zuerst als Filterkaffee, dann als Cappuccino und schliesslich als Espresso, mit und ohne Zucker.

Dass der Gewinner der Schweizer Barista-Meisterschaft 2008 Thomas Liebe dabei nichts dem Zufall überliess, versteht sich von selbst. Dass das Wasser während der Filter-Extraktion des Kaffees zwischen 92 und 96 Grad heiss war, überwachte er mit dem Digitalthermometer. Dass der Mahlgrad des Kaffees richtig war, bestätigte ihm die Espressomaschine, indem der Kaffee 4-7 Sekunden nach dem Knopfdruck zu laufen begann. Genau genommen müssen in 25 Sekunden 25 Milliliter Espresso aus der Maschine fliessen.

Das Resultat dieser Akribie war überwältigend: Ein intensiv fruchtiger Espresso von feiner Säure, ohne Bitterkeit. Die für meinen Geschmack ausnahmsweise gezuckerte Variante bildete den Höhepunkt und zugleich den Abschluss unserer Degustation im kleinen Kreis.

Niemand wird erwarten, dass Thomas Liebe seine Arbeit an der Kaffeemühle und –maschine kommentarlos verrichtete. Der diplomierte Industriedesigner, der 1996 seine Firma Ad Rem Design AG gründete, erläuterte uns jeden Handgriff und fand dabei noch Zeit für Exkurse in seine frühere Tätigkeit für die Verpackungsindustrie.

Heute darf ich sagen: Ich bewundere nicht bloss seine Barista-Kunst, sondern auch sein Engagement und seine Leidenschaft als Designer. Sein neuestes Kind, die professionelle Espressomaschine dc pro aus dem Hause Dalla Corte, tritt auch in Italien ihren Siegeszug an. Man stelle sich vor: Chromglänzendes Schweizer Design aus Thun auf den Altären italienischer Kaffeetempel!

Lieber Thomas, lieber Stefan, ich bin beeindruckt. Herzlichen Dank für das vermittelte Kaffee- und Design-Erlebnis!

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