Donnerstag, 4. Juni 2009

Rollenklärung statt Köpferollen bei den städtischen Unternehmen

Ich gehe einig mit der SP-Fraktion im Thuner Stadtrat in der Auffassung, dass die Lehren aus der schwierigen Zusammenarbeit zwischen Unternehmensleitung der Energie Thun AG und Stadtregierung der letzten zwei Jahre gezogen werden müssen. Es geht dabei aber nicht um die Person von Gemeinderat Lüscher oder um seine Ablösung , sondern viel mehr um die Erwartungen an seine Doppelfunktion als Verwaltungsrat und Gemeinderat. Das Konstrukt ist inhärent problematisch und kann jeden Amtsinhaber in Interessenkonflikte führen und damit überfordern. Die Frage der Doppelmandate stellt sich ja auch bei anderen städtischen Beteiligungsgesellschaften, das hat zum Beispiel die Stadtratsdebatte zur UBS-Arena gezeigt.

Im September 2007 haben wir im Thuner Stadtrat eine Motion der SVP diskutiert und verworfen, die den Gemeinderat „in der Regel“ aus den Unternehmungen mit städtischer Beteiligung verbannen wollte. Als Postulat wäre der damalige Vorstoss überwiesen worden, sogar mit Einverständnis des Gemeinderats. Er hat damals vorgeschlagen, eine umfassende Überprüfung der so genannten VKU-Grundsätze durch den Regierungsrat des Kantons Bern abzuwarten. „VKU“ steht für Verhältnis des Kantons zu seinen öffentlichen und gemischtwirstchaftlichen Unternehmen. Bereits einen Monat später, im Oktober 2007, lag der Bericht des Regierungsrats vor. Er umfasst 91 Seiten und empfiehlt eine differenzierte Betrachtungsweise und fallweise Beurteilung von Unternehmen zu Unternehmen. Da gibt es Kriterien und Anhaltspunkte, aber keinen Regelfall, wie ihn die SVP Thun in ihrer erfolglosen Motion vorausgesetzt hat.

Ich meine, der Gemeinderat der Stadt Thun wäre gut beraten, wenn er seinen eigenen Vorschlag von damals beherzigen und die Überlegungen des Regierungsrats und der damaligen externen Gutachter auf Thuner Verhältnisse umlegen würde. Es besteht überhaupt kein Grund, diese Aufgabe auf die nächtse Legislatur zu vertagen. Es wird dann zwar einen Personalwechsel geben, aber wir sprechen hier ein Rollenproblem an, kein Personenproblem.

Diese Anwendung von kantonalen Überlegungen auf Thuner Verhältnisse betrifft neben der Energie Thun AG die

  • Parkhaus Thun AG
  • AVAG
  • Selve-Park AG
  • Casino Kursaal Thun AG
  • Venture Thun AG
  • STI
  • und Alpar AG

Ich wünsche mir, dass der Thuner Gemeinderat das Thema Beteiligungscontrolling jetzt an die Hand nimmt und an einer nächsten Sitzung der Sachkommission Präsidiales und Finanzen darüber orientiert, ob und in welchem Zeitrahmen er dazu bereit ist. Die Alternative dazu wären stadträtliche Vorstösse und die würden bzw. werden – soweit es meine Fraktion betrifft – eher an die damalige SVP-Motion anschliessen als an das jetzige SP-Postulat, hätten also verbindlichen Charakter.

Was den Verwaltungsrat der Energie Thun AG anbelangt, halte ich dies fest:

  • Die aktuelle Entspannung zwischen Gemeinderat und VR ist sehr zu begrüssen.
  • Vordringlich ist eine Professionalisierung des VR auf dem Gebiet Strom- und Gaswirtschaft, u.U. sogar Breitbanderschliessungen; insofern bin ich sehr zufrieden mit dem Wahlantrag vom Herr Paul Marbach zuhanden der Generalversammlung der Energie Thun AG von nächster Woche. Das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.
  • Aufgrund des Ausgliederungs- und Unabhängigkeitsgrads der Energie Thun AG braucht es keine Vertretung des Gemeinderats im VR. Statt dessen müssen wir von Seiten Politik die Eigentümerstrategie noch klarer kommunizieren und die energiepolitischen Rahmenbedingungen verbindlich verabschieden, die heute noch fehlen.
  • Der Verwaltungrat sollte dann frei sein, sich innerhalb dieser Leitplanken zu bewegen und seine oberste Führungsverantwortung unbelastet von der Politik wahrzunehmen. Die Rechenschaft schuldet er regelmässig der Generalversammlung. Dort gibt es klare Rollen und Machtverhältnisse. Diese Klärung und Entflechtung der Rollen ist unbedingt anzustreben.

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