Mittwoch, 7. Juli 2010

Open Source Software: Der Schuss ins eigene Knie

Laut ist das Wehklagen der schweizerischen Open Source Software (OSS)-Gemeinschaft über den gestrigen Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts. Auf die hängige Klage einer OSS-Firmengruppe gegen die freihändige Vergabe eines Lizenzauftrags des Bundes an Microsoft will das Gericht nämlich nicht eintreten und spricht den Beschwerdeführern die Legitimation ab. Insbesondere will das Bundesverwaltungsgericht nicht in die Informatikstrategie des Bundes eingreifen.

Meine früheren Ausführungen zu diesem Verfahren finden mit dem gestrigen Gerichtsurteil ihre Bestätigung. Für die Verfechter des OSS-Modells droht der Entscheid zum Schuss ins eigene Knie zu werden. Sie haben quasi ohne Not in einem fahrenden Schnellzug die Notbremse gezogen, um mit der Bahngesellschaft über ihren Fahrplan oder das Rollmaterial zu diskutieren. Nachdem das gesuchte Medienecho zu diesem Eingriff abgeebbt ist, bleibt die Konsternation der Mitpassagiere über die erfahrene Verspätung und die Irritation der Bahn über die illegitime Intervention. Eine erhöhte Gesprächsbereitschaft oder gar vermehrte Sympathien für die durchaus berechtigten Anliegen der OSS-Gemeinschaft sind von den beteiligten Bundesstellen nach diesem Vorfall kaum zu erwarten.

An den Stellungnahmen der unterlegenen Beschwerdeführer zum Entscheid irritiert u.a. der schrille Sukkurs von Mitgliedern des eidgenössischen Parlaments. Die Parlamentariergruppe „Digitale Nachhaltigkeit“ geht so weit, sich die Medienmitteilung der beschwerdeführenden OSS-Firmen zu Eigen zu machen. Das ist eine Form von Instrumentalisierung, die mit parlamentarischer Arbeit „ohne Instruktion“ schwerlich in Einklang zu bringen ist. Erstaunlich ist auch die Verve, mit der diese Parlamentsvertreter das Bundesverwaltungsgericht wegen seines Entscheides massregeln – Vertreter jener Legislative nota bene, die sich in diesen Tagen über alle Parteigrenzen hinweg am Beispiel des Luzerner Bundesrichters Hans Wiprächtiger lauthals jegliche Einmischung der Richter in die Politik verbittet. Offenbar hallt der Appell an die Gewaltentrennung sehr ausgeprägt nur in die eine Richtung.

Ein Hoffnungsschimmer zeichnet sich immerhin in der Formulierung des Co-Präsidenten der Parlamentariergruppe, Christian Wasserfallen, zu diesem Fall ab: „Während viele Kantone und Unternehmen auf strategische Projekte mit Open Source Software setzen, stellt sich der Bund gegen Wettbewerb und Innovation.“ Seine Wortwahl lässt erkennen, dass auch er – unter anderen Vorzeichen wohlgemerkt – ein Primat der Informatikstrategie über die technologisch bedingungslose öffentliche Ausschreibung sieht.

Viel öfter als es die aktuellen Skandalrufe der OSS-Gemeinschaft vermuten lassen, macht die Bundesverwaltung im Rahmen von öffentlichen Ausschreibungen von IT-Projekten nämlich technische Vorgaben, die abwechselnd Microsoft- bzw. OSS-Technologien oder -Produkte aus den Angeboten verbannen. Der Wettbewerb spielt, bloss lässt er sich nicht immer am Fall eines einzelnen Beschaffungsvorhabens in seiner vollen Breite zum Vorteil der öffentlichen Hand inszenieren.

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