Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich. Unter diesen Titel stellt der österreichische Autor Ingo Baumgartner sein witziges Kurzgedicht, das folgenden Vers enthält: „Näher rückt das Unbehagen / Es hinkt, will nichts sagen. / So erwäge ich einen Vergleich.“
Ein Unbehagen hat auch den Schweizer Autor Daniel de Roulet beschlichen. Er hat ihm Ausdruck verliehen und einen Vergleich gewagt: „Wir, Künstler und Kulturschaffende, sind gleichsam wie der Kanarienvogel der Schweizer Gesellschaft, er singt, aber der Bergarbeiter ist so beschäftigt, dass er ihn nicht hört.“ Den Bezug zum Bergbau stellt er einleitend in seinem Kanarienvogelmanifest so her: „In die unterirdischen Grubengänge von einst pflegte der Bergarbeiter einen Kanarienvogel mitzunehmen, der ihn bei Gefahr warnen sollte. Fing der Kanarienvogel an zu singen, war das ein Vorzeichen, dass Unheil in der Luft lag, Brandgefahr oder gar eine Explosion.“
Nun ist es leider vielmehr so, dass der hier bemühte Kanarienvogel das Unheil in der Grube nicht durch seinen reizenden Gesang angezeigt hätte, sondern indem er tot von der Stange fiel, vergiftet vom geruchlosen Grubengas Kohlenmonoxid, das die Bergleute als „böses Wetter“ fürchteten. Als Warner vor den als „schlagende Wetter“ gefürchteten Methangas-Ansammlungen, die für viele Untertageexplosionen verantwortlich sind, war er leider weniger zuverlässig. Im Baulärm eines Bergwerks geht zudem wohl jeder Kanariengesang ungehört unter.
Diese Unstimmigkeit im Manifest von Daniel de Roulet nagt leider an dessen Aufhänger und wird den Literaten ärgern – und mit ihm jene Hunderte Kulturschaffende, die das Kanarienvogelmanifest mit unterzeichnet haben. Tote Kanarienvögel singen nun einmal nicht.
Aber Gefahr liegt sehr wohl in der Luft. Die Brandstifter sind unterwegs. Es gilt, den immer dreisteren Anflügen von Rassismus in unserem Land entschieden entgegen zu treten oder, um es mit Gottfried Keller zu halten, vor das Haus zu treten und zum Rechten zu schauen.
Ich begrüsse die Initiative „Kunst und Politik“, in die sich das Kanarienvogelmanifest einreiht. Die Stimme der Kunst und Kultur wird gehört und spricht mit anderer Autorität als diejenige der Politik. Ich freue mich auf die Fortsetzung des Duetts Kunst+Politik. Es muss ja kein Vogelgesang sein.
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