Mittwoch, 23. Juli 2008

Kohle lebt – und Menschen sterben dafür

In der heutigen Ausgabe des „Bund“ lese ich, dass in einer überfluteten Kohlegrube in der südchinesischen Region Guangxi sechs Bergleute ihr Leben verloren haben und 30 Arbeiter noch immer 2‘000 Meter unter Tag eingeschlossen sind. Allein im vergangenen Jahr kamen gemäss der Agenturmeldung von AP in chinesischen Kohleminen 3‘800 Menschen bei Unfällen zu Tode.

Unser Jahrhundert werde stark auf Kohle aufbauen, bestätigte jüngst der Leiter der EU-Generaldirektion Energie und Verkehr, Matthias Ruete. Während die Förderung heimischer Kohle innerhalb der EU zwischen 1990 und 2005 um die Hälfte zurückgegangen ist, wird die Abhängigkeit der EU von importierter Steinkohle bis 2030 auf über 80% zunehmen, gemäss dem EU-Bericht „European energy and transport: Trends to 2030 – Update 2007“. Zu den weltweit wichtigsten Steinkohle-Exportländern zählen neben Australien auch Indonesien, Russland, Südafrika – und China.

Ins Bewusstsein der Bernerinnen und Berner ist die moderne Kohleverstromung durch ein Kraftwerksprojekt der BKW in Dörpen im niedersächsischen Emsland gerückt. Deutschland, das unter politischem Druck von Rot-Grün den Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen und neben AKWs auch einige veraltete Kohlekraftwerke stillzulegen hat, sieht eine Stromversorgungslücke von 12‘000 Megawatt auf sich zukommen. Um diese Lücke zu schliessen, werden allein an der deutschen Nordseeküste zurzeit 13 Kohlekraftwerke geplant oder bereits gebaut.

Während sich die Trägerschaft der bernischen Gruppe Fokus Anti-Atom über die 1‘900 eingereichten Einsprachen gegen die unbefristete Betriebsbewilligung für das Kernkraftwerk Mühleberg freut, müssten auch diese Aktivisten eigentlich zur Kenntnis nehmen, dass sich die zur Grundlast-Stromproduktion geeigneten Energieträger an einer Hand abzählen lassen. Dazu zählt auch die Kohle.

Wer heute den raschen Ausstieg aus der Kernenergie verlangt, nimmt damit, zumindest in Deutschland, eine Renaissance der Kohle in Kauf. Wie lässt sich eine solche Politik angesichts der Tatsache rechtfertigen, dass allein in chinesischen Kohlebergwerken jeden Tag rund 10 Menschen unfallbedingt ums Leben kommen? Ganz zu schweigen von den Heerscharen von Bergleuten, die während ihrer Arbeit schwerstwiegende Berufskrankheiten entwickeln.

Vor diesem Hintergrund ist nachvollziehbar, weshalb sich die bernische Regierungspräsidentin und Energiedirektorin Barbara Egger trotz ihres Verwaltungsratsmandats bei der BKW demonstrativ gegen das Dörpener Kohlekraftprojekt stellt.

Nur bleibt uns Egger die Antwort schuldig auf die Frage, womit denn die Kernkraft als Bandenergie klimaverträglich substituiert werden soll, in Deutschland wie in der Schweiz. Auch sie verlässt sich darauf, dass der Strom aus der Steckdose kommt, ob der Wind weht oder nicht, ob die Sonne scheint oder nicht.

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