Sie lesen richtig: Die Rede soll hier vom Alter sein und nicht von den Bergen, die sich auch in den nächsten hundert Jahren vor unserer Haustür erheben werden und die Thun seit jeher zur Stadt der Alpen gemacht haben. Wer da aber behauptet, unsere Stadt werde sich in den nächsten Jahrzehnten zur Stadt der Alten entwickeln, muss weder Prophet, Spinner noch Schwarzmaler sein, sondern einfach zur Kenntnis nehmen, was sich aus der Altersstruktur unserer Bevölkerung seit längerem zwangsläufig ergibt. Thun – wie jede andere Stadt der Schweiz – wird demnach über kurz oder lang von Bürgerinnen und Bürgern im dritten und vierten Lebensabschnitt dominiert werden.
Ja, werden Sie sagen, das weiss ich doch: Dass sich zwischen 1875 und 2000 die Lebenserwartung in der Schweiz fast verdoppelt hat; dass nach 2050 die Frührentner, Alten und Hochbetagten zahlenmässig gleich stark sein werden wie alle Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen zusammen. Vielleicht gehören Sie sogar zu jenem Drittel aller heute Berufstätigen, die nicht mehr daran glauben, je in den Genuss einer AHV-Rente zu kommen, weil das Sozialwerk vermutlich vorher unter der unaufhaltsam wachsenden Rentenlast zusammenbrechen wird.
Was also machen wir mit dieser nüchternen Erkenntnis? Rechtzeitig zusätzliche Alters- und Pflegeheime bauen? Ein kurzer Blick auf die erwartete Alterstruktur in 50 Jahren zeigt uns aber, dass wir dannzumal gar nicht genügend Betriebs- und Pflegepersonal haben werden, um diese Heime zu betreiben – geschweige denn die Finanzen, um die benötigten Heerscharen an Betreuern und Pflegern zu bezahlen.
50 Jahre sind mehr als zehn Legislaturen, mag sich der Politikverdrossene sagen. Was kümmert diese Perspektive also den heutigen Politiker? Wer jetzt im Rampenlicht der Stadtpolitik steht, darf sich mit aktuellen Bauprojekten wie etwa jenem für ein neues Kultur- und Kongresszentrum auseinandersetzen (das, so nebenbei gesagt, unsere volle Unterstützung verdient).
Allerdings: Das Stadtquartier Seefeld, in dem ich wohne, ist vor 100 Jahren entstanden, und das Haus, in dem ich bis eben lebte, vor 100 Jahren gebaut worden, zu einem Zeitpunkt also, als es in Thun noch fast beliebige räumliche Entwicklungsmöglichkeiten gab. Die Stadtentwicklung misst sich an solchen Zeiträumen viel eher als an vierjährigen Legislaturzyklen. Und grosse Herausforderungen erfordern grosse Pläne oder zumindest eine gross angelegte Planung. Ich stelle mir vor, wie froh ich in 50 Jahren als dann Hochbetagter sein werde, dass die Stadt Thun zu Beginn des 21. Jahrhunderts – gerade rechtzeitig – aufgebrochen ist, eine Lösung für das Wohnen im Alter zu finden.
Von dieser Lösung vorwegnehmen lässt sich dies: Alte werden noch Ältere betreuen und pflegen müssen, weil Jüngere dazu gar nicht in genügender Anzahl verfügbar sein werden und ein anderer Ansatz gar nicht finanzierbar sein wird. Wir werden neue und mit Sicherheit verdichtete Wohnformen entwickeln müssen, um der eingeschränkten Mobilität und zunehmenden Isolation im Alter zu begegnen. Wir werden aus rein versorgungstechnischen Gründen, aber auch um einer Gettobildung entgegen zu wirken, auf eine gesunde Durchmischung von Altersinfrastrukturen mit belebenden kommerziellen und kulturellen Angeboten achten müssen. Kurzum: Wir werden den Begriff des altersgerechten Wohnens ganz neu definieren und überlieferte Generationenkonzepte wie den „Stöcklivertrag“ über Bord werfen müssen.
Klar ist auch, dass die benötigten Alterskomplexe weitgehend privat und mit integralen Konzepten finanziert werden müssen. Sie werden auf Skaleneffekte angewiesen sein und folglich recht gross ausfallen. Die integrierte Versorgungsinfrastruktur beispielsweise in Form von Einkaufsangeboten wird Mehrverkehr generieren, der wiederum die ökologisch ausgerichteten Interessenvereinigungen als Opposition auf den Plan rufen wird.
In raum- und verkehrsplanerischer Hinsicht ist es keineswegs zu früh, sich ernsthaft mit möglichen Standorten für solche Alterskomplexe zu befassen. Angesichts der politischen Schwierigkeiten, denen Grossprojekte naturgemäss begegnen, und angesichts der heute nur noch geringen Entwicklungsmöglichkeiten ist die Aufnahme entsprechender Planarbeiten vermutlich sogar dringend angezeigt.
Bereits vor Jahren haben sich die politischen Gremien in unserer Stadt für den Aufbruch entschieden. Aufbruch heisst, die grossen Herausforderungen der Zukunft anzunehmen, die sich abzeichnenden Probleme bei den Hörnern zu packen und unsere Zukunft aktiv mitzugestalten. Eine unübersehbare Herausforderung für den, der sie sehen will, stellt die zukünftige Lebensqualität im dritten und vierten Lebensabschnitt dar. Packen wir sie an!
Sonntag, 17. Oktober 2010
Donnerstag, 14. Oktober 2010
Mein Bekenntnis zum Steuerwettbewerb
Die Schweiz gehört zwar zu den reichsten Ländern, doch seit 1974 liegt unser Wirtschaftswachstum unter dem Durchschnitt der übrigen OECD-Länder. Im Auf und Ab der Konjunktur liegt das Wirtschaftswachstum des Kantons Bern in Phasen des Aufschwungs sogar typischerweise unter demjenigen unseres ganzen Landes. Schwaches Wachstum aber generiert tendenziell weniger Arbeitsplätze, erschwert unsere Sozial- und Umweltpolitik, vermindert die Staatseinnahmen, senkt die Standortattraktivität, und verringert schliesslich unseren relativen Wohlstand. Deshalb gehört eine Wachstumsstrategie zur unserer Entwicklungspolitik auf der Grundlage: „Wer eine Leistung erbringt und mit Investitionen Risiken eingeht, muss Gewähr haben, dass er dafür belohnt und nicht behindert wird.“
Träger des Wirtschaftsaufschwungs können nur Unternehmen sein, insbesondere KMU, die investieren und Arbeitsplätze schaffen. Der Staat kann Wirtschaftswachstum nicht einfach verordnen, auch nicht mit dem Zauberwort „Cleantech“. Vielmehr soll er sich auf die Schaffung eines institutionellen Rahmens konzentrieren, in welchem produktive unternehmerische Initiative stärker belohnt wird als andere Formen wirtschaftlichen Handelns.
Glücklicherweise steckt in jeder Bürgerin und jedem Bürger ein „Unternehmer“. Welche Art Initiative sie oder er entfacht, entscheiden unter anderem die Rahmenbedingungen. Wo etwa im grossen Stil durch Subventionen umverteilt wird, regt sich natürlich eine Form von Unternehmertum, das insgesamt keine Mehrwerte schafft – ein Null-Summen-Spiel. Wo horrende Steuern den „Unternehmer“ plagen, wird er seine Gewinnsituation durch Massnahmen am Rande oder gar ausserhalb unserer Rechtsordnung zu optimieren wissen – ein Negativ-Summen-Spiel.
Leiten aber unsere Rahmenbedingungen die Bürgerin und den Bürger zu produktivem wirtschaftlichem Handeln an, so erfüllen solche „Unternehmer“ eine doppelte Rolle. Zum einen suchen und finden sie bis anhin ungenutzte Gewinnmöglichkeiten. Allein schon dadurch gewinnt die Wirtschaft an Effizienz. Zum anderen treiben sie Innovationen an, die einen effizienteren Ressourceneinsatz zur Folge haben. In solchen Veränderungen liegt der Kern wirtschaftlichen Wachstums: im Zuwachs des realen Produktionsausstosses aufgrund höherer Produktivität.
Zu den wirtschaftlich relevanten Rahmenbedingungen zählen zweifellos Fähigkeit und Wille eines Kantons zu Infrastrukturinvestitionen. Statt sich aber in einem ausgabenseitigen interkantonalen Wettbewerb (z.B. um Spitzenmedizin, Bundessubventionen) auszuzehren, ist Wettbewerb im Bereich der Besteuerung durchaus der gesündere Ansatz und geeignet, die Steuerquote zu senken. Insofern besteht keinerlei Anlass, den Steuerwettbewerb grundsätzlich zu verdammen oder gar zu verbieten, wie das die „Steuergerechtigkeitsinitiative“ der SP will. Mit der Ausgestaltung der direkten Bundessteuer als einer der Progression unterliegenden „Reichtumssteuer“ enthält unsere Rechnung bereits ein Element der gesellschaftlichen Umverteilung. Die kantonalen Steuern dienen aber in erster Linie der Finanzierung der öffentlichen Güter (Schulen, Strassen, Ordnungskräfte, …), die allen Bürgerinnen und Bürgern in gleicher Qualität und Quantität zur Verfügung stehen. Daraus, und aus dem Prinzip der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, lässt sich kein Ruf nach einem progressiven oder noch progressiveren Steuersystem ableiten, sondern bestenfalls nach einem linearen. Eine Steuerbelastung proportional – und eben nicht überproportional – zum Einkommen stellt einen grösseren Arbeitsanreiz und damit eine bessere Rahmenbedingung für den wirtschaftlichen Aufschwung dar. Die „Steuergerechtigkeitsinitiative“ der SP, die Pflicht zur stärkeren Progression in den kantonalen Steuersystemen und die Aushebelung des Wettbewerbs lehne ich deshalb konsequent ab.
Umgekehrt wäre es völlig falsch, die kantonale oder kommunale Steueranlage als Standortfaktor über alle anderen Faktoren zu stellen, die zusammen die Standortattraktivität ausmachen. Genau das tut aber auf kommunaler Ebene die von Vertretern der SVP und FDP soeben lancierte Volksinitiative zur Senkung der städtischen Steueranlage in Thun von 1.74 auf 1.54 Einheiten. Der daraus für die Stadt zu erwartende Steuerausfall von über 10 Millionen Franken pro Jahr käme einem Kahlschlag gleich, der alle anderen Standortfaktoren sehr negativ beeinflussen würde. Wie falsch die von den Initianten getroffene Annahme ist, diese Form von Steuerdumping steigere die Attraktivität des Wirtschafts- und Wohnstandorts Thun wirksam und nachhaltig, zeigt der folgende Vergleich.
Die Schweiz ist ja bekanntlich ein Land der Mieter. Rund 60 Prozent unserer Landsleute wohnen zur Miete, und nicht für die Krankenkassen oder die Steuern geben die Schweizerinnen und Schweizer am meisten Geld aus, sondern für die Mieten. Dennoch wird niemand allen Ernstes behaupten wollen, bei der Wohnungssuche entscheide allein der Mietzins die Wahl. Neben Faktoren wie Grösse, Raumaufteilung und Ausbau spielen ganz gewiss die Besonnung, Lage, Nachbarschaft, Erschliessung mit dem öffentlichen Verkehr, mit Schulen und Einkaufsmöglichkeiten eine ebenso wichtige Rolle bei der Wohnungswahl. Die optimale Anbindung ans ÖV-Netz erlaubt unter Umständen den Verzicht auf das eigene Auto und den Autoeinstellplatz und damit den Entscheid für eine teurere Wohnung. Ein gutes Tagesschulangebot erlaubt vielleicht die Berufstätigkeit beider Elternteile, sichert ein höheres Familieneinkommen und eröffnet auch damit die Aussicht auf eine höherwertige Wohnung.
Genauso verhält es sich mit der Steueranlage. Sie ist zweifellos ein Faktor der Standortattraktivität – aber bloss einer unter vielen. Steuerwettbewerb ist solange zu begrüssen, als er nicht andere wichtige Standortfaktoren negativ tangiert oder gar das Funktionieren des betreffenden Gemeinwesens in Frage stellt.
Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, das Wachstumspotenzial und damit auch das Steigerungspotenzial der Steuerkraft verteilen sich nicht gleichmässig über den ganzen Kanton Bern. Als Lokomotive fungiert nach wie vor die Region Bern-Mittelland, wo rund 35% der Bevölkerung rund 55% des kantonalen Bruttoinlandprodukts erwirtschaften. Die Entwicklung des Wirtschaftsstandorts Kanton Bern soll sich deshalb auf die Achsen Thun-Bern-Biel und Bern-Burgdorf-Langenthal konzentrieren. Im tourismusstarken Berner Oberland liegt ein bedeutendes Wachstumspotenzial in einer bis heute weitgehend fehlenden echten regionalen Zusammenarbeit und einer ehrlichen Orientierung an internationalen Qualitätsstandards. Eine gelebte weltoffene, multikulturelle, tolerante und leistungsorientierte Gesellschaft ist auch hier Voraussetzung, um als Visitenkarte des Kantons noch erfolgreicher zu werden.
Der wirtschaftliche Aufschwung wird von der erwerbstätigen Bevölkerung getragen. Der Kanton Bern leidet aber nicht nur an einem im nationalen Vergleich unterdurchschnittlichen Bevölkerungswachstum, sondern an einer vergleichsweise ungünstigen Bevölkerungsstruktur: Die ältere Generation ist eher über-, jüngere Menschen eher untervertreten. Ohne Trendwende, die sich leider nicht abzeichnet, wird die bernische Bevölkerung bis 2030 um beinahe 10% schrumpfen und weitaus zahlreicher aus Rentnerinnen und Rentnern bestehen als heute. An einer Attraktivitätssteigerung unserer Region für Familien mit Kindern und einer effizienten Integration der häufig kinderreicheren ausländischen Wohnbevölkerung führt kein Weg vorbei. Auch so werden in bereits näherer Zukunft die Arbeitskräfte bei uns knapp, die unseren Wirtschaftsaufschwung und die öffentliche Finanzierung nachhaltig tragen sollen.
Träger des Wirtschaftsaufschwungs können nur Unternehmen sein, insbesondere KMU, die investieren und Arbeitsplätze schaffen. Der Staat kann Wirtschaftswachstum nicht einfach verordnen, auch nicht mit dem Zauberwort „Cleantech“. Vielmehr soll er sich auf die Schaffung eines institutionellen Rahmens konzentrieren, in welchem produktive unternehmerische Initiative stärker belohnt wird als andere Formen wirtschaftlichen Handelns.
Glücklicherweise steckt in jeder Bürgerin und jedem Bürger ein „Unternehmer“. Welche Art Initiative sie oder er entfacht, entscheiden unter anderem die Rahmenbedingungen. Wo etwa im grossen Stil durch Subventionen umverteilt wird, regt sich natürlich eine Form von Unternehmertum, das insgesamt keine Mehrwerte schafft – ein Null-Summen-Spiel. Wo horrende Steuern den „Unternehmer“ plagen, wird er seine Gewinnsituation durch Massnahmen am Rande oder gar ausserhalb unserer Rechtsordnung zu optimieren wissen – ein Negativ-Summen-Spiel.
Leiten aber unsere Rahmenbedingungen die Bürgerin und den Bürger zu produktivem wirtschaftlichem Handeln an, so erfüllen solche „Unternehmer“ eine doppelte Rolle. Zum einen suchen und finden sie bis anhin ungenutzte Gewinnmöglichkeiten. Allein schon dadurch gewinnt die Wirtschaft an Effizienz. Zum anderen treiben sie Innovationen an, die einen effizienteren Ressourceneinsatz zur Folge haben. In solchen Veränderungen liegt der Kern wirtschaftlichen Wachstums: im Zuwachs des realen Produktionsausstosses aufgrund höherer Produktivität.
Zu den wirtschaftlich relevanten Rahmenbedingungen zählen zweifellos Fähigkeit und Wille eines Kantons zu Infrastrukturinvestitionen. Statt sich aber in einem ausgabenseitigen interkantonalen Wettbewerb (z.B. um Spitzenmedizin, Bundessubventionen) auszuzehren, ist Wettbewerb im Bereich der Besteuerung durchaus der gesündere Ansatz und geeignet, die Steuerquote zu senken. Insofern besteht keinerlei Anlass, den Steuerwettbewerb grundsätzlich zu verdammen oder gar zu verbieten, wie das die „Steuergerechtigkeitsinitiative“ der SP will. Mit der Ausgestaltung der direkten Bundessteuer als einer der Progression unterliegenden „Reichtumssteuer“ enthält unsere Rechnung bereits ein Element der gesellschaftlichen Umverteilung. Die kantonalen Steuern dienen aber in erster Linie der Finanzierung der öffentlichen Güter (Schulen, Strassen, Ordnungskräfte, …), die allen Bürgerinnen und Bürgern in gleicher Qualität und Quantität zur Verfügung stehen. Daraus, und aus dem Prinzip der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, lässt sich kein Ruf nach einem progressiven oder noch progressiveren Steuersystem ableiten, sondern bestenfalls nach einem linearen. Eine Steuerbelastung proportional – und eben nicht überproportional – zum Einkommen stellt einen grösseren Arbeitsanreiz und damit eine bessere Rahmenbedingung für den wirtschaftlichen Aufschwung dar. Die „Steuergerechtigkeitsinitiative“ der SP, die Pflicht zur stärkeren Progression in den kantonalen Steuersystemen und die Aushebelung des Wettbewerbs lehne ich deshalb konsequent ab.
Umgekehrt wäre es völlig falsch, die kantonale oder kommunale Steueranlage als Standortfaktor über alle anderen Faktoren zu stellen, die zusammen die Standortattraktivität ausmachen. Genau das tut aber auf kommunaler Ebene die von Vertretern der SVP und FDP soeben lancierte Volksinitiative zur Senkung der städtischen Steueranlage in Thun von 1.74 auf 1.54 Einheiten. Der daraus für die Stadt zu erwartende Steuerausfall von über 10 Millionen Franken pro Jahr käme einem Kahlschlag gleich, der alle anderen Standortfaktoren sehr negativ beeinflussen würde. Wie falsch die von den Initianten getroffene Annahme ist, diese Form von Steuerdumping steigere die Attraktivität des Wirtschafts- und Wohnstandorts Thun wirksam und nachhaltig, zeigt der folgende Vergleich.
Die Schweiz ist ja bekanntlich ein Land der Mieter. Rund 60 Prozent unserer Landsleute wohnen zur Miete, und nicht für die Krankenkassen oder die Steuern geben die Schweizerinnen und Schweizer am meisten Geld aus, sondern für die Mieten. Dennoch wird niemand allen Ernstes behaupten wollen, bei der Wohnungssuche entscheide allein der Mietzins die Wahl. Neben Faktoren wie Grösse, Raumaufteilung und Ausbau spielen ganz gewiss die Besonnung, Lage, Nachbarschaft, Erschliessung mit dem öffentlichen Verkehr, mit Schulen und Einkaufsmöglichkeiten eine ebenso wichtige Rolle bei der Wohnungswahl. Die optimale Anbindung ans ÖV-Netz erlaubt unter Umständen den Verzicht auf das eigene Auto und den Autoeinstellplatz und damit den Entscheid für eine teurere Wohnung. Ein gutes Tagesschulangebot erlaubt vielleicht die Berufstätigkeit beider Elternteile, sichert ein höheres Familieneinkommen und eröffnet auch damit die Aussicht auf eine höherwertige Wohnung.
Genauso verhält es sich mit der Steueranlage. Sie ist zweifellos ein Faktor der Standortattraktivität – aber bloss einer unter vielen. Steuerwettbewerb ist solange zu begrüssen, als er nicht andere wichtige Standortfaktoren negativ tangiert oder gar das Funktionieren des betreffenden Gemeinwesens in Frage stellt.
Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, das Wachstumspotenzial und damit auch das Steigerungspotenzial der Steuerkraft verteilen sich nicht gleichmässig über den ganzen Kanton Bern. Als Lokomotive fungiert nach wie vor die Region Bern-Mittelland, wo rund 35% der Bevölkerung rund 55% des kantonalen Bruttoinlandprodukts erwirtschaften. Die Entwicklung des Wirtschaftsstandorts Kanton Bern soll sich deshalb auf die Achsen Thun-Bern-Biel und Bern-Burgdorf-Langenthal konzentrieren. Im tourismusstarken Berner Oberland liegt ein bedeutendes Wachstumspotenzial in einer bis heute weitgehend fehlenden echten regionalen Zusammenarbeit und einer ehrlichen Orientierung an internationalen Qualitätsstandards. Eine gelebte weltoffene, multikulturelle, tolerante und leistungsorientierte Gesellschaft ist auch hier Voraussetzung, um als Visitenkarte des Kantons noch erfolgreicher zu werden.
Der wirtschaftliche Aufschwung wird von der erwerbstätigen Bevölkerung getragen. Der Kanton Bern leidet aber nicht nur an einem im nationalen Vergleich unterdurchschnittlichen Bevölkerungswachstum, sondern an einer vergleichsweise ungünstigen Bevölkerungsstruktur: Die ältere Generation ist eher über-, jüngere Menschen eher untervertreten. Ohne Trendwende, die sich leider nicht abzeichnet, wird die bernische Bevölkerung bis 2030 um beinahe 10% schrumpfen und weitaus zahlreicher aus Rentnerinnen und Rentnern bestehen als heute. An einer Attraktivitätssteigerung unserer Region für Familien mit Kindern und einer effizienten Integration der häufig kinderreicheren ausländischen Wohnbevölkerung führt kein Weg vorbei. Auch so werden in bereits näherer Zukunft die Arbeitskräfte bei uns knapp, die unseren Wirtschaftsaufschwung und die öffentliche Finanzierung nachhaltig tragen sollen.
Sonntag, 10. Oktober 2010
Wessen Erbe tritt Thun an?
Wirtschaftsfeindlich sei die Haltung der Steuerbehörden, und sie würden Unternehmen „rüde behandeln“ und so vertreiben, ärgerten sich die bürgerlichen Vertreter im Stadtrat. Wann? Letzte Woche? Nein. Diese Klage ertönte schon im Jahr 1925. Auslöser waren Abwanderungsgelüste der Berner Firma Hasler aus Steuergründen. Der eigentliche Hintergrund aber war, dass kurz vorher die nicht gerade innovationsfreudige Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei BGB – Vorläuferin der heutigen SVP – die Mehrheit im Kanton übernommen hatte. Das war ein Wendepunkt in der Berner Wirtschaftsentwicklung. Von da an ging es gemächlich abwärts.
Nicht vom Thuner Stadtrat ist hier die Rede, sondern vom Parlament der Stadt Bern. Es ist auch nicht meine Rede, sondern wörtlich zitiert aus der Berner Zeitung vom 25. Oktober 2003, Seite 22. Ich würde nicht so weit gehen, der SVP die Schuld am Niedergang der Berner Wirtschaft anzulasten. Dennoch passt der BZ-Standpunkt vor acht Jahren gut zur Tagesaktualität in Thun und zum Anspruch unserer SVP, die einzige politische Kraft zu sein, die sich für die steuergeplagten Unternehmen und Bürger sowie die Gesundung der Stadtfinanzen einsetzt. Er passt wie die Faust aufs Auge.
Vergessen wir nicht das Berner Wirtschaftswunder, das dem Ersten Weltkrieg vorangegangen war. Der Berner Historiker Christian Pfister beschreibt es so: „In dieser Zeit (1885-1914) holte Bern die industrielle Revolution nach. Berner waren Pioniere auf dem Gebiet der Elektrifizierung. Zuerst mit ausländischem Kapital, dann mit Kantons- und Gemeindegeld wurden die ersten Flusskraftwerke gebaut, etwa in Wynau. Zwischen Burgdorf und Thun verkehrte 1899 die erste elektrische Vollbahn Europas. Und die subventionierte, 1913 eröffnete Lötschberg-Linie war die erste Gebirgsbahn Europas mit Wechselstrom. Sie war das Vorbild für die Elektrifizierung der SBB. Die zweite boomende Branche war – ausgehend von Interlaken – der Tourismus im Berner Oberland. Ab 1890 wurden binnen weniger Jahre Bahnen aus dem Boden gestampft – zuletzt die Jungfraubahn 1912. Im Kielwasser der Bahnen wurden auf der grünen Wiese die Hotelpaläste der „Belle Epoque“ hochgezogen. Die Leinenweberei und die Porzellanfabrik Langenthal versorgten die Hotels mit Geschirr und Stoffen. Heute würde man dieses Zusammenspiel als Innovationscluster bezeichnen.“
Träger des Wirtschaftswunders waren gemäss Pfister Angehörige der freisinnigen Grossfamilie, die bis etwa 1920 im Kanton Bern die Mehrheit innehatten. „Vorläufer der heutigen Freisinnigen hatten nach dem liberalen Umschwung von 1831 die Ansiedlung der Uhrenindustrie und den Aufschwung der Käsereien befördert. Uhren und Käse waren bis ins späte 19. Jahrhundert die tragenden Sektoren der Berner Volkswirtschaft. Die Lötschbergbahn 1913 und die Landesausstellung in Bern von 1914 waren dann aber die letzten Stufen des Berner Innovationsfeuerwerks.
Nach dem 1. Weltkrieg erholte sich die Konjunktur erst ab den 1950er Jahren langfristig. Und das neue Proporzwahlrecht verhalf der Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei BGB, der späteren SVP, um 1920 zur Mehrheit in den Kantonsbehörden. Die BGB förderte die traditionalen Wirtschaftssektoren: die Landwirtschaft und das Kleingewerbe. Es siedelten sich auch kaum mehr grosse Unternehmen an.“
Das gilt insbesondere auch für Thun, das nicht mit den heute zugkräftigen Wachstumspolen Bern und Biel mithalten konnte, also eher zum Wagen als zur Lokomotive wurde. Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass die Wirtschaftsschwäche und der Verschuldungsgrad der Stadt Thun schon 1958 ein Thema waren. So berichtete das Thuner Tagblatt am 29. Oktober 2008 in der Rubrik „Thun vor 50 Jahren“ in einem Beitrag des Stadtarchivs:
„16. Oktober 1958: Die Stadt Thun verschuldet sich immer mehr. Die fremden Mittel haben Ende 1957 die beängstigende Höhe von 57.5 Millionen erreicht. Dies entspricht einer Schuldenlast pro Kopf von zirka Fr. 2‘000.“
Überschlagsmässig haben sich die Schulden der Stadt Thun pro Kopf in den vergangenen 50 Jahren nominal mehr als verdoppelt. Absolut haben sie sich sogar ca. vervierfacht (von 57.5 Millionen auf 200 Millionen Franken).
Real, das heisst inflationsbereinigt, haben sie sich aber halbiert! 2‘000 Franken im Jahr 1958 entsprechen mit der Inflation 8‘173 Franken im Jahr 2007. 200 Millionen Schulden im Jahr 2007 verteilt auf 42‘300 Einwohner im Jahr 2007 ergibt 4‘730 Franken pro Einwohner (58% oder rund die Hälfte von 8‘173.‐).
Wer heute im Gemeindewahlkampf 2010 den Schuldenberg der Stadt Thun der jahrzehntelangen SP-Präsidentschaft von Ernst Eggenberg und Hansueli von Allmen anlasten will, ist gut beraten, das Geschichtsbuch etwas weiter zurückzublättern. Aufgrund der Faktenlage könnte die SP nämlich für sich beanspruchen, die städtischen Schulden pro Kopf der Bevölkerung unter ihrer Regentschaft halbiert zu haben. Deshalb möchte ich heute auch nicht entscheiden müssen, wessen Erbe wir in der Gemeinderatswahl vom 28. November 2010 mit der schwierigen Finanzlage der Stadt wirklich antreten: Das unmittelbare Erbe der SP Thun oder historisch jenes von BGB bzw. SVP des Kantons Bern.
Klar ist aber, dass entgegen der offiziellen Darstellung des amtierenden Gesamtgemeinderats und von SP-Finanzvorsteher von Allmen die strukturelle Schieflage der Stadtfinanzen keineswegs behoben ist. Die anstehende Debatte um den Voranschlag 2011 und den mittelfristigen Finanzplan der Stadt wird das in aller Deutlichkeit aufzeigen. Wessen Erbe wir auch immer antreten, es wird ein schweres Erbe sein, das aufzulösen unter Umständen eine Generationenaufgabe sein wird. Klar ist auch, dass jener Superman, der diese Schieflage im Nu beheben könnte, noch nicht geboren ist. Er steht im November 2010 auch nicht zur Wahl.
Im Bewusstsein dieser Ausgangslage verfechte und verfolge ich eine langfristig ausgerichtete Finanzpolitik. Mehr zu ihren konkreten Ansatzpunkten in einem folgenden Beitrag. Stay tuned!
Nicht vom Thuner Stadtrat ist hier die Rede, sondern vom Parlament der Stadt Bern. Es ist auch nicht meine Rede, sondern wörtlich zitiert aus der Berner Zeitung vom 25. Oktober 2003, Seite 22. Ich würde nicht so weit gehen, der SVP die Schuld am Niedergang der Berner Wirtschaft anzulasten. Dennoch passt der BZ-Standpunkt vor acht Jahren gut zur Tagesaktualität in Thun und zum Anspruch unserer SVP, die einzige politische Kraft zu sein, die sich für die steuergeplagten Unternehmen und Bürger sowie die Gesundung der Stadtfinanzen einsetzt. Er passt wie die Faust aufs Auge.
Vergessen wir nicht das Berner Wirtschaftswunder, das dem Ersten Weltkrieg vorangegangen war. Der Berner Historiker Christian Pfister beschreibt es so: „In dieser Zeit (1885-1914) holte Bern die industrielle Revolution nach. Berner waren Pioniere auf dem Gebiet der Elektrifizierung. Zuerst mit ausländischem Kapital, dann mit Kantons- und Gemeindegeld wurden die ersten Flusskraftwerke gebaut, etwa in Wynau. Zwischen Burgdorf und Thun verkehrte 1899 die erste elektrische Vollbahn Europas. Und die subventionierte, 1913 eröffnete Lötschberg-Linie war die erste Gebirgsbahn Europas mit Wechselstrom. Sie war das Vorbild für die Elektrifizierung der SBB. Die zweite boomende Branche war – ausgehend von Interlaken – der Tourismus im Berner Oberland. Ab 1890 wurden binnen weniger Jahre Bahnen aus dem Boden gestampft – zuletzt die Jungfraubahn 1912. Im Kielwasser der Bahnen wurden auf der grünen Wiese die Hotelpaläste der „Belle Epoque“ hochgezogen. Die Leinenweberei und die Porzellanfabrik Langenthal versorgten die Hotels mit Geschirr und Stoffen. Heute würde man dieses Zusammenspiel als Innovationscluster bezeichnen.“
Träger des Wirtschaftswunders waren gemäss Pfister Angehörige der freisinnigen Grossfamilie, die bis etwa 1920 im Kanton Bern die Mehrheit innehatten. „Vorläufer der heutigen Freisinnigen hatten nach dem liberalen Umschwung von 1831 die Ansiedlung der Uhrenindustrie und den Aufschwung der Käsereien befördert. Uhren und Käse waren bis ins späte 19. Jahrhundert die tragenden Sektoren der Berner Volkswirtschaft. Die Lötschbergbahn 1913 und die Landesausstellung in Bern von 1914 waren dann aber die letzten Stufen des Berner Innovationsfeuerwerks.
Nach dem 1. Weltkrieg erholte sich die Konjunktur erst ab den 1950er Jahren langfristig. Und das neue Proporzwahlrecht verhalf der Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei BGB, der späteren SVP, um 1920 zur Mehrheit in den Kantonsbehörden. Die BGB förderte die traditionalen Wirtschaftssektoren: die Landwirtschaft und das Kleingewerbe. Es siedelten sich auch kaum mehr grosse Unternehmen an.“
Das gilt insbesondere auch für Thun, das nicht mit den heute zugkräftigen Wachstumspolen Bern und Biel mithalten konnte, also eher zum Wagen als zur Lokomotive wurde. Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass die Wirtschaftsschwäche und der Verschuldungsgrad der Stadt Thun schon 1958 ein Thema waren. So berichtete das Thuner Tagblatt am 29. Oktober 2008 in der Rubrik „Thun vor 50 Jahren“ in einem Beitrag des Stadtarchivs:
„16. Oktober 1958: Die Stadt Thun verschuldet sich immer mehr. Die fremden Mittel haben Ende 1957 die beängstigende Höhe von 57.5 Millionen erreicht. Dies entspricht einer Schuldenlast pro Kopf von zirka Fr. 2‘000.“
Überschlagsmässig haben sich die Schulden der Stadt Thun pro Kopf in den vergangenen 50 Jahren nominal mehr als verdoppelt. Absolut haben sie sich sogar ca. vervierfacht (von 57.5 Millionen auf 200 Millionen Franken).
Real, das heisst inflationsbereinigt, haben sie sich aber halbiert! 2‘000 Franken im Jahr 1958 entsprechen mit der Inflation 8‘173 Franken im Jahr 2007. 200 Millionen Schulden im Jahr 2007 verteilt auf 42‘300 Einwohner im Jahr 2007 ergibt 4‘730 Franken pro Einwohner (58% oder rund die Hälfte von 8‘173.‐).
Wer heute im Gemeindewahlkampf 2010 den Schuldenberg der Stadt Thun der jahrzehntelangen SP-Präsidentschaft von Ernst Eggenberg und Hansueli von Allmen anlasten will, ist gut beraten, das Geschichtsbuch etwas weiter zurückzublättern. Aufgrund der Faktenlage könnte die SP nämlich für sich beanspruchen, die städtischen Schulden pro Kopf der Bevölkerung unter ihrer Regentschaft halbiert zu haben. Deshalb möchte ich heute auch nicht entscheiden müssen, wessen Erbe wir in der Gemeinderatswahl vom 28. November 2010 mit der schwierigen Finanzlage der Stadt wirklich antreten: Das unmittelbare Erbe der SP Thun oder historisch jenes von BGB bzw. SVP des Kantons Bern.
Klar ist aber, dass entgegen der offiziellen Darstellung des amtierenden Gesamtgemeinderats und von SP-Finanzvorsteher von Allmen die strukturelle Schieflage der Stadtfinanzen keineswegs behoben ist. Die anstehende Debatte um den Voranschlag 2011 und den mittelfristigen Finanzplan der Stadt wird das in aller Deutlichkeit aufzeigen. Wessen Erbe wir auch immer antreten, es wird ein schweres Erbe sein, das aufzulösen unter Umständen eine Generationenaufgabe sein wird. Klar ist auch, dass jener Superman, der diese Schieflage im Nu beheben könnte, noch nicht geboren ist. Er steht im November 2010 auch nicht zur Wahl.
Im Bewusstsein dieser Ausgangslage verfechte und verfolge ich eine langfristig ausgerichtete Finanzpolitik. Mehr zu ihren konkreten Ansatzpunkten in einem folgenden Beitrag. Stay tuned!
Donnerstag, 7. Oktober 2010
Filmriss im Thuner Wahlkampfprogramm
Die neueste Episode im Thuner Wahlkampfprogramm könnte den Titel tragen: „Steuern senken oder Heute bauen wir uns ein Luftschloss.“ Hauptdarsteller darin sind mein FDP-Stadtratskollege Hanspeter Aellig und der SVP-Stadtratsaspirant Lukas Lanzrein. Offenbar recht unbelastet von Detailkenntnissen der Stadtfinanzen erklären Sie die Zeit reif für eine Steuersenkung in Thun. Gemeinsam präsidieren sie ein jugendliches Initiativkomitee „für angemessene und tiefere Steuern“. Die Stadt Thun gäbe zu viel Geld für Projekte aus, welche entweder unsinnig und luxuriös seien oder nie zu Ende geführt würden. Mit Steuergeldern müsse verantwortungsvoller und sorgfältiger umgegangen werden.
Konkret fordern die Urheber per Volksinitiative eine Senkung der Steueranlage für die Stadt Thun um zwei Steuerzehntel von gegenwärtig 1.74 auf neu 1.54. In absoluten Zahlen bedeutete das einen Steuerausfall von rund 10 Millionen Franken pro Jahr.
Gemäss Aufgaben- und Finanzplan 2010-2013 der Stadt rechnet Thun für die Jahre 2011 bis 2013 mit Defiziten von 4 bis 5 Millionen Franken pro Jahr. Mit der seit Drucklegung des Plans beschlossenen kantonalen Steuergesetzrevision 2011 werden es eher Defizite von 6 Millionen Franken pro Jahr sein. Bei den Investitionen ist im selben Zeitraum mit Finanzierungslücken von rund 10 Millionen Franken pro Jahr und entsprechender Mehrverschuldung zu rechnen. Aus dem Bereich Sportstätten und Begleitprogramm Agglomerationsverkehr werden innert kürzester Zeit wahrscheinlich noch gegen 50 Millionen Franken zusätzlich an ungedecktem Finanzierungsbedarf und entsprechender Mehrverschuldung hinzukommen.
Im Rahmen der Budgetberatung im Stadtrat des Voranschlags 2011 und des Aufgaben- und Finanzplans 2011-2014 werden FDP und SVP im November – also noch vor dem Gemeindewahltermin vom 28. November 2010 – ausgiebig Gelegenheit haben darzulegen, auf welche „unsinnigen und luxuriösen“ Ausgaben bzw. Investitionen sie verzichten wollen.
Zwischenzeitlich rufe ich den Initianten bloss zu: „Träumt weiter, Jungs! Aber haltet euch fern vom Ruder, denn am Steuer der Thuner Stadtfinanzen habt ihr euch mit diesem Vorstoss disqualifiziert.“
Konkret fordern die Urheber per Volksinitiative eine Senkung der Steueranlage für die Stadt Thun um zwei Steuerzehntel von gegenwärtig 1.74 auf neu 1.54. In absoluten Zahlen bedeutete das einen Steuerausfall von rund 10 Millionen Franken pro Jahr.
Gemäss Aufgaben- und Finanzplan 2010-2013 der Stadt rechnet Thun für die Jahre 2011 bis 2013 mit Defiziten von 4 bis 5 Millionen Franken pro Jahr. Mit der seit Drucklegung des Plans beschlossenen kantonalen Steuergesetzrevision 2011 werden es eher Defizite von 6 Millionen Franken pro Jahr sein. Bei den Investitionen ist im selben Zeitraum mit Finanzierungslücken von rund 10 Millionen Franken pro Jahr und entsprechender Mehrverschuldung zu rechnen. Aus dem Bereich Sportstätten und Begleitprogramm Agglomerationsverkehr werden innert kürzester Zeit wahrscheinlich noch gegen 50 Millionen Franken zusätzlich an ungedecktem Finanzierungsbedarf und entsprechender Mehrverschuldung hinzukommen.
Im Rahmen der Budgetberatung im Stadtrat des Voranschlags 2011 und des Aufgaben- und Finanzplans 2011-2014 werden FDP und SVP im November – also noch vor dem Gemeindewahltermin vom 28. November 2010 – ausgiebig Gelegenheit haben darzulegen, auf welche „unsinnigen und luxuriösen“ Ausgaben bzw. Investitionen sie verzichten wollen.
Zwischenzeitlich rufe ich den Initianten bloss zu: „Träumt weiter, Jungs! Aber haltet euch fern vom Ruder, denn am Steuer der Thuner Stadtfinanzen habt ihr euch mit diesem Vorstoss disqualifiziert.“
Sonntag, 3. Oktober 2010
Wenn Banken wanken und Stadtfinanzen kranken
Letzthin haben wir im Thuner Stadtparlament eine Motion der SP betreffend „Keine Geschäfte mit Finanzinstituten mit Boni-Exzessen“ behandelt. Der Vorstoss wollte den Gemeinderat beauftragen, ein Reglement mit Kriterien aufzustellen, die Finanzinstitute erfüllen müssen, damit sie als Geschäftspartner der Stadt Thun in Frage kommen. Darunter fielen insbesondere Angaben über Höhe und Vergabepraxis der Boni, Abgangsentschädigungen und Lohnspanne in den Unternehmen.
Gemäss kantonaler Gesetzgebung und Thuner Stadtverfassung fallen der Finanzhaushalt und die Fremdmittelbeschaffung in die abschliessende Zuständigkeit der Exekutive. Der SP-Vorstoss war damit gar nicht motionsfähig. Ich habe ihn aber auch aus anderen Gründen abgelehnt.
Dass sich Bankmitarbeiter, Aktionäre, und Anleger über das Abzocken in den Chefetagen ihrer Institute ärgern und sich dagegen zur Wehr setzen, ist verständlich. Auch ich verurteile das extreme Lohngefälle in gewissen Grosskonzernen. Es hat nichts mehr mit Leistung und Verantwortung zu tun. Aber angesprochen sind hier nicht bloss Grossbanken.
Auch ich verurteile das Verstaatlichen von Verlusten aus Rettungsaktionen in der Finanzmarktkrise und sofort daran anschliessend wieder die Privatisierung von satten Gewinnen. Das ist absolut stossend.
Aber der Aufbau und die Pflege einer Bankbeziehung für eine Stadt wie Thun sind nicht vergleichbar mit dem Kaufentscheid vor der Früchteauslage im Supermarkt, wo es um die Wahl von Chiquita oder Max Havelaar geht. Eine Banane ist und bleibt eine Banane, aber die Banken treten in verschiedenen Rollen gegenüber der öffentlichen Hand auf: als Dienstleister im Zahlungsverkehr, als Kreditgeber oder auch als Anlageberater und –verwalter beispielsweise für die öffentlichen Pensionskassen. Die Interessenlage von Stadt und Bank ist je nach Rollenverteilung sehr unterschiedlich. Das öffentliche Interesse an mehr Lohngerechtigkeit bei den Banken ist dabei bloss ein Faktor, und häufig nicht der wichtigste.
Ich gehe in meinen eigenen politischen Forderungen an die Finanzwirtschaft wesentlich weiter und wesentlich näher an die Wurzeln des Übels als die SP. Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich ist am Verabschieden eines Regelwerks von Eigenkapitalanforderungen, das als „Basel III“ bekannt ist. Die Zielrichtung dieser Massnahmen stimmt, aber sie sind dennoch völlig unzureichend.
Wir brauchen ordnungspolitische Eingriffe in die Finanzwirtschaft, namentlich die Aufteilung der heutigen Universalbanken in ein Trennbankensystem, in dem Zahlungsverkehr, Kreditvergabe und Immobilienfinanzierung, Vermögensverwaltung und Investmentbanking wieder getrennt sind. Die USA kannten eine solche Regelung im Glass-Steagall-Act, als Lehre aus dem Börsencrash von 1929 und der anschliessenden grossen Depression. Nach Aufhebung dieser Trennordnung 1999 haben in den USA jene Probleme ihren Anfang genommen, die das Land und teilweise auch Europa in die schwere Krise der Finanz- und Realwirtschaft gestürzt haben, in der wir immer noch stecken.
Weiter brauchen wir eine Reform unseres Geldsystems, welche die Hoheit über die Geldschöpfung und Geldmengensteuerung wieder zurück zum Staat bringt, namentlich zur Nationalbank. Dass sich die Gemeinden, Kantone und der Bund bei privaten Banken oder via private Banken verschulden, und umgekehrt private Banken aus der Geldschöpfung durch Kreditvergabe jährliche Gewinnbeiträge in zweistelliger Milliardenhöhe vereinnahmen, ist eine Perversion unseres monetären Systems. Die Möglichkeit der Grossbanken, variable Saläre in der Grössenordnung von 50 Millionen pro Topmanager auszuzahlen, ist nur ein Ausfluss dieser Perversion.
Die öffentliche Empörung über die Salarierungspraxis der Grossbanken ist verständlich und berechtigt. Aufgabe der Politik ist es aber, prioritär die viel gefährlicheren fortbestehenden systemischen Risiken in der Bankenwelt zu mindern. Lassen wir uns darin nicht beirren!
Gemäss kantonaler Gesetzgebung und Thuner Stadtverfassung fallen der Finanzhaushalt und die Fremdmittelbeschaffung in die abschliessende Zuständigkeit der Exekutive. Der SP-Vorstoss war damit gar nicht motionsfähig. Ich habe ihn aber auch aus anderen Gründen abgelehnt.
Dass sich Bankmitarbeiter, Aktionäre, und Anleger über das Abzocken in den Chefetagen ihrer Institute ärgern und sich dagegen zur Wehr setzen, ist verständlich. Auch ich verurteile das extreme Lohngefälle in gewissen Grosskonzernen. Es hat nichts mehr mit Leistung und Verantwortung zu tun. Aber angesprochen sind hier nicht bloss Grossbanken.
Auch ich verurteile das Verstaatlichen von Verlusten aus Rettungsaktionen in der Finanzmarktkrise und sofort daran anschliessend wieder die Privatisierung von satten Gewinnen. Das ist absolut stossend.
Aber der Aufbau und die Pflege einer Bankbeziehung für eine Stadt wie Thun sind nicht vergleichbar mit dem Kaufentscheid vor der Früchteauslage im Supermarkt, wo es um die Wahl von Chiquita oder Max Havelaar geht. Eine Banane ist und bleibt eine Banane, aber die Banken treten in verschiedenen Rollen gegenüber der öffentlichen Hand auf: als Dienstleister im Zahlungsverkehr, als Kreditgeber oder auch als Anlageberater und –verwalter beispielsweise für die öffentlichen Pensionskassen. Die Interessenlage von Stadt und Bank ist je nach Rollenverteilung sehr unterschiedlich. Das öffentliche Interesse an mehr Lohngerechtigkeit bei den Banken ist dabei bloss ein Faktor, und häufig nicht der wichtigste.
Ich gehe in meinen eigenen politischen Forderungen an die Finanzwirtschaft wesentlich weiter und wesentlich näher an die Wurzeln des Übels als die SP. Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich ist am Verabschieden eines Regelwerks von Eigenkapitalanforderungen, das als „Basel III“ bekannt ist. Die Zielrichtung dieser Massnahmen stimmt, aber sie sind dennoch völlig unzureichend.
Wir brauchen ordnungspolitische Eingriffe in die Finanzwirtschaft, namentlich die Aufteilung der heutigen Universalbanken in ein Trennbankensystem, in dem Zahlungsverkehr, Kreditvergabe und Immobilienfinanzierung, Vermögensverwaltung und Investmentbanking wieder getrennt sind. Die USA kannten eine solche Regelung im Glass-Steagall-Act, als Lehre aus dem Börsencrash von 1929 und der anschliessenden grossen Depression. Nach Aufhebung dieser Trennordnung 1999 haben in den USA jene Probleme ihren Anfang genommen, die das Land und teilweise auch Europa in die schwere Krise der Finanz- und Realwirtschaft gestürzt haben, in der wir immer noch stecken.
Weiter brauchen wir eine Reform unseres Geldsystems, welche die Hoheit über die Geldschöpfung und Geldmengensteuerung wieder zurück zum Staat bringt, namentlich zur Nationalbank. Dass sich die Gemeinden, Kantone und der Bund bei privaten Banken oder via private Banken verschulden, und umgekehrt private Banken aus der Geldschöpfung durch Kreditvergabe jährliche Gewinnbeiträge in zweistelliger Milliardenhöhe vereinnahmen, ist eine Perversion unseres monetären Systems. Die Möglichkeit der Grossbanken, variable Saläre in der Grössenordnung von 50 Millionen pro Topmanager auszuzahlen, ist nur ein Ausfluss dieser Perversion.
Die öffentliche Empörung über die Salarierungspraxis der Grossbanken ist verständlich und berechtigt. Aufgabe der Politik ist es aber, prioritär die viel gefährlicheren fortbestehenden systemischen Risiken in der Bankenwelt zu mindern. Lassen wir uns darin nicht beirren!
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