Sonntag, 3. Oktober 2010

Wenn Banken wanken und Stadtfinanzen kranken

Letzthin haben wir im Thuner Stadtparlament eine Motion der SP betreffend „Keine Geschäfte mit Finanzinstituten mit Boni-Exzessen“ behandelt. Der Vorstoss wollte den Gemeinderat beauftragen, ein Reglement mit Kriterien aufzustellen, die Finanzinstitute erfüllen müssen, damit sie als Geschäftspartner der Stadt Thun in Frage kommen. Darunter fielen insbesondere Angaben über Höhe und Vergabepraxis der Boni, Abgangsentschädigungen und Lohnspanne in den Unternehmen.

Gemäss kantonaler Gesetzgebung und Thuner Stadtverfassung fallen der Finanzhaushalt und die Fremdmittelbeschaffung in die abschliessende Zuständigkeit der Exekutive. Der SP-Vorstoss war damit gar nicht motionsfähig. Ich habe ihn aber auch aus anderen Gründen abgelehnt.

Dass sich Bankmitarbeiter, Aktionäre, und Anleger über das Abzocken in den Chefetagen ihrer Institute ärgern und sich dagegen zur Wehr setzen, ist verständlich. Auch ich verurteile das extreme Lohngefälle in gewissen Grosskonzernen. Es hat nichts mehr mit Leistung und Verantwortung zu tun. Aber angesprochen sind hier nicht bloss Grossbanken.

Auch ich verurteile das Verstaatlichen von Verlusten aus Rettungsaktionen in der Finanzmarktkrise und sofort daran anschliessend wieder die Privatisierung von satten Gewinnen. Das ist absolut stossend.

Aber der Aufbau und die Pflege einer Bankbeziehung für eine Stadt wie Thun sind nicht vergleichbar mit dem Kaufentscheid vor der Früchteauslage im Supermarkt, wo es um die Wahl von Chiquita oder Max Havelaar geht. Eine Banane ist und bleibt eine Banane, aber die Banken treten in verschiedenen Rollen gegenüber der öffentlichen Hand auf: als Dienstleister im Zahlungsverkehr, als Kreditgeber oder auch als Anlageberater und –verwalter beispielsweise für die öffentlichen Pensionskassen. Die Interessenlage von Stadt und Bank ist je nach Rollenverteilung sehr unterschiedlich. Das öffentliche Interesse an mehr Lohngerechtigkeit bei den Banken ist dabei bloss ein Faktor, und häufig nicht der wichtigste.

Ich gehe in meinen eigenen politischen Forderungen an die Finanzwirtschaft wesentlich weiter und wesentlich näher an die Wurzeln des Übels als die SP. Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich ist am Verabschieden eines Regelwerks von Eigenkapitalanforderungen, das als „Basel III“ bekannt ist. Die Zielrichtung dieser Massnahmen stimmt, aber sie sind dennoch völlig unzureichend.

Wir brauchen ordnungspolitische Eingriffe in die Finanzwirtschaft, namentlich die Aufteilung der heutigen Universalbanken in ein Trennbankensystem, in dem Zahlungsverkehr, Kreditvergabe und Immobilienfinanzierung, Vermögensverwaltung und Investmentbanking wieder getrennt sind. Die USA kannten eine solche Regelung im Glass-Steagall-Act, als Lehre aus dem Börsencrash von 1929 und der anschliessenden grossen Depression. Nach Aufhebung dieser Trennordnung 1999 haben in den USA jene Probleme ihren Anfang genommen, die das Land und teilweise auch Europa in die schwere Krise der Finanz- und Realwirtschaft gestürzt haben, in der wir immer noch stecken.

Weiter brauchen wir eine Reform unseres Geldsystems, welche die Hoheit über die Geldschöpfung und Geldmengensteuerung wieder zurück zum Staat bringt, namentlich zur Nationalbank. Dass sich die Gemeinden, Kantone und der Bund bei privaten Banken oder via private Banken verschulden, und umgekehrt private Banken aus der Geldschöpfung durch Kreditvergabe jährliche Gewinnbeiträge in zweistelliger Milliardenhöhe vereinnahmen, ist eine Perversion unseres monetären Systems. Die Möglichkeit der Grossbanken, variable Saläre in der Grössenordnung von 50 Millionen pro Topmanager auszuzahlen, ist nur ein Ausfluss dieser Perversion.

Die öffentliche Empörung über die Salarierungspraxis der Grossbanken ist verständlich und berechtigt. Aufgabe der Politik ist es aber, prioritär die viel gefährlicheren fortbestehenden systemischen Risiken in der Bankenwelt zu mindern. Lassen wir uns darin nicht beirren!

1 Kommentar:

Ralf Geisendörfer hat gesagt…

wenn Gedanken kranken…

Ralf Geisendörfer, Feb. 2010


wem ist es zu verdanken
wenn reiche Banken kranken
die Armen und die Blanken
vor Wut beim Tanken schwanken

wer weist sie in die Schranken
wenn sie mit ihren Pranken
durchbrechen alle Planken
und sich dabei noch zanken

wie kann man diesen Kranken
die uns schon immer stanken
doch fallen in die Flanken
und dabei nicht mal wanken

einst werden sich noch ranken
um die, die damals sanken
die undankbar Gedanken…

LG Ralf Geisendörfer www.multirapid.de