Der Thuner Gemeinderat hat in verschiedenen Anläufen aus unterschiedlichen Richtungen versucht, den bekannten Auswüchsen des Nachtlebens in der Altstadt – insbesondere Nachtruhestörungen und Vandalismus – und anderen unerwünschten Entwicklungen in der Innenstadt Herr zu werden. Eine geplante Zonenplanänderung gegen die Ausbreitung des Rotlichtmilieus ist am Veto des Kantons gescheitert. Der Versuch zu einer generellen Überzeitbeschränkung hatte zwar den Segen des kantonalen Wirtschaftsamts, beco, im Spielraum des Gastgewerbegesetzes, scheiterte aber am Veto des Regierungsstatthalters Niedersimmental.
Der an der gestrigen Stadtratssitzung vorgelegte Neuanlauf hatte schon eine öffentliche Mitwirkung hinter sich, in dem nur eine einzige Stellungnahme eingegangen war. Die Vorprüfung durch das kantonale Amt für Gemeinden und Raumordnung war positiv ausgefallen, und während der öffentlichen Planauflage anfangs Jahr war die Vorlage kaum bestritten. Die von Seiten Stadtrat gestern so laut vorgebrachte Kritik an der Vorlage kam für den Gemeinderat wohl relativ spät und unerwartet. Deshalb fragte ich mich, einmal abgesehen von der Detailargumentation und der Frage ihrer Stichhaltigkeit, wie gross ehrlicherweise die Chancen sind, dass der Stadtrat in absehbarer Zeit einen wirklich befriedigenden Alternativvorschlag auf dem Tisch haben wird, falls er den Vorschlag zur Plafonierung als unbefriedigend taxierte und zurückwies. Nach der langen Vorgeschichte gab ich mich diesbezüglich keinen Illusionen mehr hin.
Ich unterstützte die Zielsetzung der vorgeschlagenen Baureglementsänderung voll und ganz. Anstoss nahm ich einzig an der vorgesehenen Plafonierung der Anzahl Betriebe mit Überzeitbewilligung auf den Altstadtgebieten auf die willkürliche Anzahl von 25. Das ist zwar ein sehr einfacher und nachvollziehbarer Mechanismus, aber vielleicht eben ein zu einfacher. Sicher bekämpfte er das Übel nicht an der Quelle, sondern nur sehr indirekt.
Der Regierungsstatthalter Baur des Niedersimmentals hatte seinen abschlägigen Entscheid zum Thuner Antrag für eine generelle Überzeitbeschränkung zuvor damit begründet, die Massnahme sei zu pauschal. Die Stadt Thun und Polizei müssten diejenigen Betriebe ermitteln, die zu Klagen Anlass gäben, und für diese spezifischere Massnahmen entwickeln. Der gestern vorlegte Ansatz war wiederum absolut pauschal. Der Stadtratsbeschluss dazu hätte dem fakultativen Referendum unterlegen. Ausserdem gibt es, neben betroffenen Gastgewerbebetrieben, eine Bewegung von mehrheitlich jungen Leuten in Thun, die gerne eine Perspektive hätten für ein neues Ausgangsangebot als Selve-Ersatz – aus meiner Sicht zu Recht. Diese Perspektive fehlt heute, für diese Nachtschwärmer wäre eine Plafonierung ein weiterer Sargnagel für ihr Freizeitprogramm, und die Unterschriftensammlung für ein Referendum würde im Spätsommer sicher besser klappen als zur Weihnachtszeit.
Einen weiteren reglementarischen Misserfolg der Stadt in der nächtlichen Beruhigung der Innenstadt sähe ich nur sehr ungern.
Deshalb liess ich mich von den im Rat vorgebrachten Argumenten überzeugen, dass eine Rückweisung des Geschäfts das kleinere Übel bedeutete und dass wir eine differenziertere Lösung suchen müssen, welche direkter an der Störungsquelle ansetzt. Ich empfahl deshalb meinen Fraktionskollegen das Geschäft zur Rückweisung.
Der zuständige Gemeinderat Peter Siegenthaler zog schliesslich das Geschäft angesichts drohender Rückweisung aus freien Stücken zurück.
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