Mit dem Nationalfeiertag vom 1. August begeben wir uns alljährlich gedanklich zurück an die Wiege der Schweiz, die bekanntermassen auf dem Rütli stand, um dort den neuen Spross im Jahr 1291 aufzunehmen.
Meine frühesten Kindheitserinnerungen an die Nationalfeier sind Bilder aus dem Heimatort Egerkingen, wo der Männerturnverein unterhalb der Dorfkirche im Schein bengalischer Lichter eine menschliche Pyramide baut, um die sich die Zuschauer schemenhaft im Halbkreis scharen. Bilder vom Vater und dem älteren Bruder auf dem finsteren Nachhauseweg, wie sie Schweizerkracher aus dem Liquidationsbestand von Grossvaters Dorfladen zünden, für die es heute wohl einen Waffenschein bräuchte.
Neben dem Pulverdampf, den ich unweigerlich mit dem 1. August assoziiere, haben sich die Tellensage und die Überlieferung vom Rütlischwur und der Vertreibung fremder Vögte bis heute gehalten, ja bilden nachgerade Staatsdoktrin.
Mein Stolz auf die Schweiz und meine Nationalität gründet auf den Errungenschaften unseres Bundesstaates und seiner direkten Demokratie, wie er erst 1848 geschaffen wurde. Es wäre an der Zeit, den noch immer als Geburtsurkunde der Eidgenossenschaft gehandelten Bundesbrief von 1291 im Licht jüngerer historischer Forschung auch offiziell neu einzuordnen. So bezeichnet etwa der Zürcher Geschichtsprofessor Roger Sablonier die traditionelle historische Kulisse zu unserem Nationalfeiertag als schlicht erfunden.
Das soll der Geburtstagsfeier von Helvetia keinen Abbruch tun. Rütlischwur, Tellentat und Volksaufstand gegen die habsburgische Herrschaft haben auch im Kapitel Sagen und Legenden ihren Stellenwert. Zur Begründung des Sonderfalles Schweiz – mechanistisch wie chronologisch – möchte ich sie aber aus unseren Schulbüchern gestrichen haben.
Feiern wir also weiter und seinen wir stolz auf das, was wir in der Schweiz mit dem liberalen, demokratischen Verfassungsstaat des 19. Jahrhunderts erreicht haben.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen