An bester Lage gegenüber Schadaupark und Scherzligkirche in Thun will die Bieler Firma Espace Real Estate AG als privater Investor Wohnungen gehobenen Standards erstellen. Das entsprechende Baubewilligungsgesuch ist eingereicht, die Einsprachefrist läuft in den nächsten Tagen ab. An Einsprachen gegen das Bauvorhaben wird es nicht mangeln, und darüber hinaus formiert sich leider breiterer Widerstand gegen das Projekt aus Einwohnerkreisen, die nicht direkt einspracheberechtigt sind.
Anstoss genommen wird hauptsächlich an der vorgesehenen Bauhöhe der drei Wohneinheiten gegenüber der Scherzligkirche, die viergeschossig ausgelegt sind und in erdrückender Nähe zur Kirche das Ortsbild einschneidend verändern werden.
Das Bauprojekt stützt sich auf das Baureglement und den Zonenplan der Stadt Thun von 2002, den wir Stadträte und Stadträtinnen an der Sitzung vom 14. März 2002 zu Handen der Volksabstimmung vom 2. Juni 2002 verabschiedet und so mitzuverantworten haben. Die darin für die Schadau vorgesehene Zone mit Planungspflicht sieht als grundsätzliches Nutzungsmass dreigeschossige Bauten vor mit der Möglichkeit zu punktuellen Abweichungen, sofern diese „städtebaulich begründet sind und zu einer erhöhten räumlichen Qualität führen.“
Die Prüfung der Zonenkonformität und Einhaltung der baupolizeilichen Vorschriften ist Sache des laufenden Baubewilligungsverfahrens, auf das wir keinerlei Einfluss nehmen wollen. Bei Einhaltung der relevanten Vorschriften steht dem Investor die Realisierung des Projekts wie vorgesehen zu. Das gebietet sein Anspruch auf Planungssicherheit, die wir hochhalten.
Daneben zeigt uns aber die Anzahl und Vehemenz der ablehnenden öffentlichen Reaktionen quasi „in letzter Minute“, dass eine lokalpolitische Auseinandersetzung mit dem konkreten Bauprojekt und seinen Implikationen für das Ortsbild nicht oder nur ungenügend stattgefunden hat – dies in erster Linie weil es aus einer kantonalen Ausschreibung mit Projektwettbewerb hervorgegangen ist.
Die Frage des Gestaltungsgrundsatzes, inwieweit mit der vorgesehenen Auslegung die spezifischen Qualitäten des Ortes Scherzligen als Standort der Scherzligkirche die nötige Beachtung finden, wurde offenbar von der Jury und der kantonalen Denkmalpflege deutlich anders beantwortet als von breiten Bevölkerungskreisen.
Die Scherzligkirche ist keine Kathedrale und hat in ihrer langen Geschichte nie den Anspruch erhoben, mit umliegenden Gebäuden konkurrieren zu wollen. Der Aufbau einer mächtigen, viergeschossigen Fassadenfront unmittelbar jenseits der Seestrasse würde aber auch in meinem Empfinden eine bedauerliche Entwertung des tausendjährigen Sakralbaus bedeuten, um nicht zu sagen die Entweihung eines noch viel älteren Kult- und späteren Wallfahrtsortes.
Der angezeigte Respekt vor dieser Geschichte und Bedeutung des Orts gebietet für mich eine zurückhaltendere Bauweise. Eine derartige Beeinträchtigung des Ortsbildes wäre auch volkswirtschaftlich-touristisch ein Sündenfall und würde vergangene und zukünftige Bemühungen um die Wertsteigerung und Nutzung des touristisch hervorragenden Ensembles Schadau/ Scherzligkirche zunichte machen.
Die Bauherrschaft hat im Werdegang des Projekts und in der Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege ein hohes Mass an Verantwortungsbewusstsein und Kooperationsbereitschaft bewiesen. Das lässt uns auf ein offenes Ohr für bisher noch zu wenig artikulierte Anliegen der Thunerinnen und Thuner hoffen.
An der gestrigen Stadtratssitzung regte ich deshalb im Rahmen einer Fraktionserklärung beim Gemeinderat an, informell das konstruktive Gespräch zur Bauherrschaft zu suchen, um ihr den Hintergrund der breiten Opposition auszuleuchten und die Möglichkeiten und allfällige Bereitschaft für eine angemessene Reaktion auszuloten.
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